: „Friedensverhandlungen“ nur zum Schein geführt?
■ Kompromiß GEC-Plessey gescheitert / GEC wird boshafte Aktienmanipulation unterstellt / Plessey jetzt billiger zu haben
Berlin (taz) - Der Fusionswettlauf in der europäischen Arena wird mit harten Bandagen ausgetragen. Derzeit ist der Fight zwischen den beiden britischen Elektro- und Elektronik -Konzernen General Electric (GEC) und Plessey fürs Publikum nicht nur mit Abstand der kurzweiligste, sondern auch der lehreichste. Die neueste Vorführung: Wie drücke ich als übernahmewilliger Konzern (GEC) die Aktienkurse meines Kaufobjektes (Plessey), um einen günstigen Preis zu erzielen? Im Krieg und in der Wirtschaft ist dabei offenbar alles erlaubt, wenn das stimmt, was Plessey-Geschäftsführer Stephen Walls seinem Konkurrenten unterstellt.
Am vergangenen Freitag hatten sich Vertreter beider Konzerne zu „Friedensverhandlungen“ getroffen (siehe taz vom Dienstag). Als Kompromiß sollte dabei herauskommen, daß GEC darauf verzichtet, Plessey in toto zu kaufen, und lediglich die bislang beiden Konzernen zur Hälfte gehörende Telekommunikationsfirma „GEC Plessey Communications“ vollends übernimmt. Kaufpartner wäre in jedem Fall Siemens gewesen, mit denen GEC seit November 1988 in Sachen Plessey gemeinsame Sache macht. Am Dienstag abend nun waren die Verhandlungen geplatzt. GEC hatte plötzlich eine neue Forderung aus der Tasche gezogen, die Plessey nicht erfüllen konnte: Eine stärkere Beteiligung an der ebenfalls gemeinsamen Tochtergesellschaft, die Schiffselektronik produziert - für Plessey von strategisch wichtiger Bedeutung. Walls unterstellt den GEC-Unterhändlern hier allerdings weniger Unersättlichkeit als andere Boshaftigkeiten.
Auf einer Pressekonferenz am Mittwoch fragte sich Walls öffentlich, ob GEC jemals ernsthaft in die Gespräche gegangen sei, und ob da nicht viel eher die Absicht dahintergestanden habe, am Aktienkurs von Plessey zu drehen und den Markt zu erschüttern. Tatsache ist, daß durch die Veröffentlichung der eigentlich als geheim angesetzten Verhandlungen der Aktienkurs von Plessey „torpediert“ wurde, wie das 'Wall Street Journal‘ es nennt. Es ging immerhin um eine Perle in Plesseys Besitz. Walls weiß auch, wie die Verhandlungen aufgedeckt wurden: GEC sei am Freitag auf eigene Initiative an die Presse gegangen. Börsenbeobachter in London erwarten nun, daß nach dem Fall der Plessey-Aktie GEC und Siemens mit einem neuen Angebot an die Anteilseigner von Plessey herantreten werden. Eine im November vorgetragene Offerte lag bei 225 Pence/Aktie und wurde allgemein als zu niedrig eingeschätzt. Bevor man in die „Friedensverhandlungen“ mit Plessey eintrat, gingen Experten davon aus, daß irgendwann ein neues Angebot zwischen 265 und 285 Pence aufgetischt würde. Nunmehr dürften nach Ansicht des Wall Street Journals rund 245 Pence reichen. Zur Zeit wird der Wert an der Börse bei 252 Pence notiert. Börsen -Analyst John Tysoe von Shearson Lehman Hutton Securities Inc. Bestätigt die Unterstellungen von Walls insoweit, als auch er meint, GEC habe mit den Verhandlungen teilweise das Ziel verfolgt, einen realistischen Preis für Plessey durchzudrücken.
GEC wollte zu den Vorwürfen vorerst nicht stellungnehmen. Aus dem Hause Siemens verlautete dagegen, man habe dem Angebot Plesseys zum Verkauf seiner Telekommunikations -Anteile nur wenig Interesse entgegengebracht, sondern stets Plessey insgesamt übernehmen wollen. Eine Hürde für die Fusion, die das Londoner Kartellamt aufgestellt hat, gilt jedoch nach wie vor: Das Rüstungsgeschäft von Plessey dürfe nicht GEC zufallen, und auch nicht in ausländische Hände gehen, etwa an Siemens.
ulk
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