: Memminger Haftbefehl aufgehoben
Landgericht hebt Haftbefehl gegen Frauenarzt Theissen auf / Memminger Hexenjagd geht weiter / Berufsverbot bleibt bestehen / Theissen werden jetzt seine Aussagen im Fernsehen vorgeworfen ■ Von Gunhild Schöller
Berlin (taz) - Die Memminger Justiz urteilt weiter im Fall des Frauenarztes Dr. Horst Theissen. Zwar fallen keine neuen spektakulären §218-Entscheidungen, jedoch sind die Richtersprüche gravierend für die Existenz des verurteilten Horst Theissen.
Überraschend positiv wurde von der ersten Strafkammer des Landgerichts Memmingen der Antrag beschieden, den Haftbefehl gegen Theissen aufzuheben. Theissen erhält damit nach zwei Jahren endlich seinen Personalausweis und Reisepaß zurück und kann wieder reisen. Es bestehe keine Fluchtgefahr, entschieden die Richter - Theissen war immerhin zwei- bis dreimal wöchentlich zum Prozeß erschienen. Weiterhin habe er ein eigenes Einkommen, da er Naturheilmittel vertreibe und eine Praxis für Naturheilverfahren unterhalte.
Theissens Praxis ist mittlerweile aber schon wieder gefährdet - durch ein Verfahren, das die Regierung von Schwaben eingeleitet hat. Dazu Hans-Peter März von der „Abteilung für Gesundheitswesen und öffentliche Sicherheit und Ordnung“: „Wir prüfen zur Zeit, ob die Approbation von Dr. Theissen zum Ruhen kommen soll.“
März bezieht sich dabei auf §6 der Bundesärzteordnung, wonach die Zulassung eines Arztes vorläufig außer Kraft gesetzt werden kann, wenn er unter dem Verdacht steht, eine Straftat begangen zu haben. Da das Urteil gegen Theissen noch nicht rechtskräftig ist, hat die Bezirksregierung von Schwaben damit die schärfstmögliche Maßnahme ergriffen.
Auf jeden Fall bestehen bleibt das vorläufige Berufsverbot als Frauenarzt, das die Memminger Richter gegen Theissen verhängten. Den Antrag der Theissen-Verteidiger Fischer und Cobler, dieses aufzuheben, lehnte die erste Strafkammer jetzt ab.
Es bestehe die Gefahr, so die Richter, daß Theissen erneut unerlaubt Schwangerschaften abbreche. Dies ergebe sich aus Äußerungen, die Theissen in Fernsehsendungen gemacht habe. So habe er in einer Diskussionssendung im hessischen Fernsehen gesagt, er könne mit einer mündigen Patientin unter vier Augen über einen Abbruch entscheiden, „den Staat möchte ich außen vor lassen“. Theissen sei zu einer „Symbolfigur“ für Abtreibung geworden, „der leicht dem Drängen der Frauen auf Abtreibung nachgibt“. Eine Änderung seiner Einstellung sei nicht zu erkennen. Tatsächlich hat Theissen zu seiner Einstellung über Abtreibung vor Gericht geschwiegen - bis zuletzt.
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