: Wie Schönhuber seine Krisen bewältigt
■ Auf ihrem Berliner Parteitag stellen die REPs die Weichen in Richtung CDU
Der jetzige Finanzskandal der rechtsradikalen „Republikaner“ ist bereits die dritte Krise, in die die junge Partei stürzte. Bislang hat Franz Schönhuber immer nach dem gleichen Muster re(a)giert: Kritiker flogen raus, seine direkte Gefolgschaft rückte nach. Beim heutigen Landesparteitag in Berlin soll der nicht mehr vorzeigbare Bernhard Andres durch den CDU-Dissidenten Carsten Pagel ersetzt werden. Ein deutlicher Wink in Richtung Christenunion, deren rechter Flügel zu Pagel nach wie vor gute Kontakte hat.
Berlin (taz) - Rechtschaffen wollen sie sein, die „Republikaner“. Sechs Monate nach ihrem überraschenden Erfolg bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus und keine vier Wochen nach der Europawahl bietet Schönhubers Truppe ein Bild der inneren Zerwürfnisse, der Finanzskandale und der Ermittlungsverfahren gegen führende Funktionäre. Ermittelt wird wegen Betrugs und Veruntreuung - beschuldigt werden der Bundesvorsitzende Franz Schönhuber und der ehemalige Berliner Fraktionschef Bernhard Andres. Aber auch wegen Körperverletzung sind mittlerweile Verfahren gegen führende „Republikaner“ eingeleitet worden. So steht der rheinland-pfälzische Landesvorsitzende Hans Herrmann im Verdacht, dabeigewesen zu sein, als eine REP-Gegenerin in der Nacht vom 2. auf den 3.Juni mit dem Auto gejagt wurde. Seinem Berliner Parteikollegen Andres wird über den Betrug hinaus noch vorgeworfen, einen Parteikritiker via Polizeigriff kurzerhand aus einer Sitzung geworfen zu haben.
Die Rechtspartei, die ihre Initialen gern mit den Begriffen Rechtsstaatlichkeit, Ehrlichkeit und Patriotismus gleichsetzt, scheint von den eigenen Ansprüchen meilenweit entfernt.
1986, nach dem ersten Wahlerfolg bei der bayerischen Landtagswahl - die Populisten um den Ex-Journalisten Schönhuber schafften aus dem Stand ein Drei-Prozent-Ergebnis - kam erstmals Geld in die Kasse der hochverschuldeten Partei. Doch die 1,3 Millionen, die der Steuerzahler für die Wahlkampfkostenerstatung lockermachen mußte, brachten die Partei Schönhubers an den Rand des Absturzes. Diese Gelder sind es, die heute zu dem Ermittlungsverfahren gegen den Bundesvorsitzenden Schönhuber geführt haben.
In einer ZDF-Dokumentation neu aufgegriffen, wird dem REP -Chef vorgeworfen, den überwiegenden Teil der Gelder am damaligen bayerischen Landesschatzmeister Georg Schätzl vorbei auf ein eigens für den Bundesverband gegründetes Konto verschoben zu haben. Der Exschatzmeister, der wegen der Querelen um die Gelder die Partei dann verlassen haben will (die Bundesgeschäftsstelle behauptet dagegen, Schätzl sei wegen „miserabler Amtsführung“ nicht mehr aufgestellt worden), warf seinem früheren Idol Schönhuber unter anderem vor, er habe eine abenteuerliche Liste zur Wahlkampfkostenrückerstattung eingereicht. Der Wahlkampf habe etwa 350.000 Mark gekostet - abgerechnet wurden aber über 1,3 Millionen Mark.
Die Liste der Vorwürfe hat inzwischen auch der frühere Schönhuber-Vize und Münchner Rechtsanwalt Dieter Berger erweitert. Nach seinen Angaben sind in der Abrechnung für das Bayerische Landtagsamt auch Kredite für den 86er Wahlkampf aufgeführt, die er „nie gesehen“ hat. Darüber hinaus sollen dem damaligen Generalssekretär Harald Neubauer Gehaltsnachzahlungen von 64.000 Mark aus der Kostenerstattung zugekommen sein, obwohl vorher ausgemacht war, daß dessen Arbeit ehrenamtlich sei.
Aus seinem Urlaubsort hat Schönhuber angekündigt, mit allen juristischen Mittel gegen die Mainzer Sendeanstalt vorzugehen. Harald Neubauer, REP-Bundesprecher und Bayern -Chef, setzte dem angekündigten juristischen Dauerfeuer noch eins drauf. Er drohte den Journalisten mit strafrechtlicher Verfolgung, die die Behauptungen des ZDF weiterverbreiten wollten.
Trotz dieser Einschüchterungsversuche wird der frühere Schatzmeister Schätzl wird wohl bei seiner Darstellung bleiben. Er hat die Buchungskladde des Bayerischen Landesverbandes geführt und am 31.12 1986 den Jahresabschluß getätigt.
Die Gesamtausgaben für das Wahlkampfjahr 1986 belaufen sich danach auf 540.537,39 Mark. Die Ausgaben, die direkt für die Wahl im Oktober aufgewendet wurden, hat Schätzl mit einem Betrag um die 350.000 Mark hochgerechnet. Die Differenz zum dann abgerechneten Gesamtbetrag von über 1,3 Millionen Mark: 770.500 Mark „Sachspenden“. Sachspenden, das sind „Ausgaben von Mitgliedern, auf deren Erstattung verzichtet wurde“. Sie wurden mit den 540.000 Mark Ausgaben aufsummiert und „entsprechen der Wahlkampfkostenerstattung des Bundestagspräsidialamtes vom November 1986“. Für die Richtigkeit zeichnete der Schatzmeister selbst.
Nach dem Bayern-Erfolg 1986 und den folgenden Querelen um die Geldvergabe geriet die Partei völlig aus dem Tritt. Es folgten 1988 verheerende Wahldebakel in Schleswig-Holstein (0,6 %) und Baden-Württemberg (0,96%), in Rheinland-Pfalz wurde die Kandidatur zur Landtag sowohl in letzter Minute zurückgezogen. Die Mitglieder verließen scharenweise die Partei, die REPs drohten an den Rand der Bedeutungslosigkeit zu rutschen. Die Partei befand sich in einer desolaten Verfassung, vergleichbar mit der von 1984, als die „Gründungstroika“ - die CSU-Dissidenten Ekkehard Voigt, Franz Handlos und Schönhuber - platzte. In einem Kraftakt bewältigte Schönhuber auch diese Krise. Wie in den vergangenen Jahren mußten die Kritiker nach heftigen Auseinandersetzungen um Schönhubers Führungsstil die Partei verlassen. Von internen Auseinandersetzungen noch gebeutelt, ist den „Republikanern“ der Berliner Wahlerfolg dann zugefallen „wie ein herrenloser Lotterieschein mit fünf Richtigen plus Zusatzzahl“, so der Berliner Politologe Klaus Leggewie.
Während Parteichef Schönhuber vergangene Woche an unbekantem Ort im Urlaub weilte und erst heute zum Berliner Parteitag anreist, setzte seine Vertreterin Johanna Grund auf ungebrochenen Zukunftsoptimismus. Mit den 16,8 Millionen aus der Europa-Wahl soll nun dort verstärkt Parteiarbeit geleistet werden, wo die Landesverbände im Juni „knapp über oder unter der Fünf-Prozent-Grenze lagen“. Bis zum Herbst werde der Münchner Parteisitz in eine Bonner Zentrale verlegt, an die Gründung einer parteinahen Stiftung ist dabei ebenso gedacht wie an ein Schulungszentrum für Funktionäre. Das Ziel, wie könnte es anders sein, ist der Einzug in den Bundestag 1990. Schönhubers Stellvertreterin: „Ich bin da ganz zuversichtlich.“
Für den kommenden Bundesparteitag im Herbst, der vom neuen Saar-Landesverband nach Saarbrücken geholt wurde, sieht Johanna Grund ihre Aufgabe insbesondere darin, ein deutschlandpolitisches Konzept vorzulegen. Die Eckpfeiler dafür, so verrät sie schom heute, sind ein „militärisch neutrales Deutschland“, dem eine Wiedervereinigung vorangegangen sein muß. Eine europäische Friedenspolitik jenseits der Nato und dem Warschauer Pakt wünscht sie sich, aber dazu müßten „wir zuallererst die nationalen Probleme, die Nationale Frage, lösen“. Am Ende eines längeren Telefongespräches beteuert die Frau in der Spitze der rechtsradikalen Männerpartei: „Wir sind der Anwalt der einfachen Menschen, uns haben die einfachen Leute gewählt.
Nach der millionenschweren Pleite des rechtsextremen Listenbündnisses „DVU-Liste D“, prognostiziert sie dem konkurrierendem Tandem aus NPD und DVU eine innere Zerreißprobe. „Ich vermute, daß da von den Mitgliedern her ein gewisser Zug hin zu unserer Partei da sein wird.“ Eine Unterwanderung werde dennoch nicht stattfinden, beteuert sie und verweist auf den Unvereinbarkeitsbeschluß vom 14.Mai letzten Jahres. Daß mit Rudolf Kenzia ein früherer NPD -Landesvorsitzender nun in der Berliner Fraktion sitzt, und daß der Bayerische Landesvorsitzende Harald Neubauer nicht nur über die NPD zu Freys DVU gewechselt war, sondern in Hamburg auch einen Landesverband der „Aktion Neue Rechte“ mitgründete, tut sie als Jügendsünden ab: „Jedem muß die Möglickeit eingeräumt werden, einmal einen Irrweg gegangen zu sein“.
Ob Neubauer den Irrweg aber schon bis zum Ende beschritten hat, bleibt fraglich. Im August 87 teilte er dem damaligen Parteifreund Palleske freudig mit: „Unser Gespräch mit der Kieler 'Liste für Ausländerbegrenzung‘ hat Erfolg gehabt.“ Herr M. und seine Frau hätten aus dem Kreis der Ausländerfeinde als neue Mitglieder gewonnen werden können. „In Absprache mit Herrn Schönhuber schlage ich daher vor, Herrn M. mit dem Aufbau des Kieler Kreisverbandes zu beautragen.“
Wolfgang Gast
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