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Tete-a-tete: Mandela bei Botha

■ Südafrikas Präsident lud ANC-Führer zum Gespräch in seine Residenz / Beide betonen friedliche Entwicklung in Südafrika /Spekulationen über Freilassung des prominentesten politischen Gefangenen noch vor dem Abtritt Bothas nach den Wahlen

Johannesburg (ap/dpa/wps) - Die Führer der beiden gegnerischen Lager Südafrikas, Staatschef Pieter Willem Botha und der seit 25 Jahren inhaftierte Bürgerrechtler und Vorsitzende des verbotenen ANC, Nelson Mandela, haben sich letzte Woche in der Residenz des Präsidenten getroffen. Soweit bekannt, handelt es sich um die erste Begegnung der beiden Politiker.

Justizminister Kobie Coetsee charakterisierte das sensationelle Treffen, das bereits am Mittwoch auf Einladung Bothas stattfand, als Höflichkeitsbesuch in angenehmer Atmosphäre. Über Politik sei während der 45minütigen Begegnung nicht gesprochen worden. Beide Männer hätten sich jedoch gegenseitig versichert, daß sie eine friedliche Entwicklung in Südafrika wünschten. Coetsee, der sich wie andere Regierungsmitglieder auch in der Vergangenheit wiederholt mit Mandela getroffen hatte und der nach eigenen Angaben bei dem Treffen zwischen Botha und Mandela dabei war, gab keine Erklärung dafür, warum die Unterredung offenbar geheimgehalten werden sollte.

Die südafrikanischen Sonntagszeitungen waren sich einig, daß Botha vermutlich als letzte bedeutende Amtshandlung die Freilassung Mandelas verfügt, bevor er spätestens 30 Tage nach dem Wahlen am 6.September das Präsidentenamt an Frederik de Klerk übergibt. Botha war zu Beginn des Jahres in einem erbitterten innerparteilichen Machtkampf gegen de Klerk unterlegen. Um Einbrüche unter der Wählerschaft der Regierungspartei zu verhindern, war bislang von einer möglichen Freilassung Mandelas erst nach den Wahlen die Rede gewesen. Mandela hatte eine an die Bedingung geknüpfte Freilassung, formell der Gewalt abzuschwören, stets abgelehnt und gefordert, dann müsse auch die südafrikanische Regierung offiziell auf Gewalt gegen Schwarze und deren Organisationen verzichten.

Ob Mandela nach seiner Freilassung eine politische Rolle übernimmt, läßt sich noch nicht absehen. Denkbar wäre, daß er die sich anbah Fortsetzung auf Seite 2

nende Verständigung zwischen den wichtigsten Gruppen der Schwarzen zu Ende führt und sie unter seiner Leitung integriert. Dabei geht es um Führer des großen Zulu-Stammes, Mangosuthu Buthelezi, der im Westen als Alternative zum ANC hofiert wird, und um radikalere Organisationen wie die Dachgewerkschaft Cosatu oder das oppositionelle Sammelbecken United Democratic Front (UDF). Ein solcher Zusammenschluß unter der Führung von Mandela hätte ein weitaus

größeres Gewicht als die von den Schwarzen kaum ernstgenommenen Kommunalpolitiker, mit denen Pretoria Gespräche führt.

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