: Keine Wohnung für Aids-Kranke
■ Bremer Aids-Hilfe zog Zwischenbilanz: Bislang 28 Aidstote in Bremen
Vor gut anderthalb Jahren, als Aids für Bonn noch Anlaß war, auch Bremen mit 600.000 Märkern zu beehren, gründeten Bremer Einrichtungen und Verbände gemeinsam das Modell „Ausbau ambulanter Hilfen für Aids-Erkrankte im Rahmen von Sozialstationen“. Ziel des Programms war - und ist, - die bereits bestehenden Strukturen der Schwerstkrankenversorgung für eine ambulante Aidshilfe zu nutzen und zu vernetzen, anstatt eine eigenständige Institution aufzubauen, die allein für Verwaltung einiges Geld geschluckt hätte.
Unter der Koordination der Bremer Aidshilfe arbeiten das Rat&Tat-Zentrum für Homosexuelle, Caritas, Arbeiterwohlfahrt, Rotes Kreuz und der Verein für Häusliche Krankenpflege auf den Gebieten der ambulanten Krankenpflege, der psychosozialen Beratung, der Ausbildung und Fortbildung von BetreuerInnen. Bis 1991 ist ihre Arbeit finanziell abgesichert. Dann laufen die Bundeszuschüsse aus.
Die Probleme, die eine Infizierung aufwirft, sind komplex. Bei
spiel: Menschen ohne festen Wohnsitz können nach einer Erkrankung nicht einfach in ein x-beliebiges Billighotel gesteckt werden, weil dort die Wohnverhältnisse so miserabel sind, daß sie kaum eine Chance zum Überleben haben. Viele Aidskranke verlieren mit Ausbruch der Krankheit ihre sozialen Kontakte.
Die Nachfrage nach häuslicher Krankenpflege war bisher für die Initiative das geringste Problem, obwohl sich das immer schnell ändern kann, weil der gesundheitliche Zustand Aidskranker extrem schwanken kann: „Eine Woche sieht's so aus, als mache einer nicht mehr lange mit, die Woche später kann er plötzlich fast allein für sich sorgen.“
Derzeit gibt es in Bremen ca. 80 gemeldete Aidskranke (ohne Dunkelziffer), von denen 28 bereits tot sind. Aber, so Rüdiger Schumacher von der Aids-Hilfe, die Zahlen sagen wenig aus. Mehr sagt, daß die Betreuung eines einzigen Aidskranken rund um die Uhr mindestens 15 ausgebildete und ehrenamtliche Menschen erfordert.
Probleme haben die Verbände nach wie vor mit der Beschaffung von Wohnraum: Akut werden 8 Plätze für Drogenabhängige und 2 für Schwule gesucht. Auch wird derzeit der Bremer Mischpflegesatz von 25.25 DM aus dem Bundestopf ergänzt. Wenn der versiegt, ist die lebenswichtige Versorgung durch examinierte Pflegekräfte nicht mehr gewährleistet. Vorallem aber die psychosoziale Betreung durch SozialpädagogInnen, die bisher nicht von den Krankenkassen getragen wird, ist gefährdet.
„Traurig“ finden die Mitarbeiter der Initiative, daß die Hämophilen nach wie vor Brührungsängste zeigen: Nicht eine Einzige hat sich bei Hilfsorganisation gemeldet, obwohl es allein 20 aidsinfizierte hämophile Kinder in Bremen geben soll. Bettina v. Bonin vom DRK wundert sich: „Die melden nicht mal ihre Ansprüche an!“
rn
Über die Arbeit der Initiative informiert ein Faltblatt, das bei der Aids-Hilfe Bremen, Am Dobben 66, Telefon 71925 bestellt werden kann.
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