: Verhandlungsspiel
Südafrikas Opposition muß Bedingungen für Verhandlungen stellen ■ G A S T K O M M E N T A R
F.W. de Klerk hat schon jetzt genug Probleme. Sie wirken trivial, verglichen mit dem, was auf ihn zukäme, würde die außerparlamentarische Opposition seinen Ruf nach Verhandlungen ernst nehmen. Bevor Aktivisten in Lachen ausbrechen: Das meint natürlich nicht, daß die Opposition im Land oder im Exil - am erfolgreichsten wäre, wenn sie sich dem großen Trommeln der Nationalen Partei anschlösse. Sie könnte aber unseren Herrschern das Leben ziemlich schwer machen, wenn sie, anstatt de Klerks Ruf nach Verhandlungen zurückzuweisen, von seiner Regierung jene Bedingungen einklagen würde, die Verhandlungen erst ermöglichen. Dazu gehört zuerst, de Klerk die Initiative zu nehmen.
Wir haben das in unserer Zeitung schon öfter geschrieben: Der ausländische Druck sowohl auf die Regierung als auch die Opposition wird wachsen, und beide Parteien müssen zeigen, daß sie - und eben nicht der Gegner - an Verhandlungen interessiert sind. De Klerk weiß das ganz genau. Deswegen ruft er ständig nach Verhandlungen und wird vielleicht auch einige Konzessionen machen, um zu zeigen, wie ernst er es meint. Dazu könnte die bedingungslose Freilassung Mandelas gehören. Einige glauben, auch eine Lockerung des Ausnahmezustands und - vielleicht - die Zulassung eines gewaltfreien Flügels des African National Congress (ANC) innerhalb Südafrikas wären machbar.
Wenn nun seine Gegner Verhandlungen ablehnen, solange die Apartheid nicht endgültig abgeschafft ist, ist de Klerk der Sieger, zumindest vorübergehend. Schließlich zeigt er, daß er zu Gesprächen bereit ist. Klagen sie aber immer wieder das notwendige Fundament für Verhandlungen ein, dann gerät er in die Defensive. Falls de Klerk ernsthaft an Verhandlungen interessiert wäre, was muß er dann erfüllen? Am klarsten ist: Man kann nicht mit schwarzen Führern verhandeln, die noch im Knast oder Exil sitzen. Also ist die Freilassung aller politischen Gefangenen und die Rückkehr aller Exilierten eine Grundbedingung vor Gesprächen. Führer verhandeln auch nicht als Individuen, sondern als Repräsentanten organisierter Bewegungen. Echte Verhandlungen gehen somit erst, wenn alle verbotenen Organisationen wieder legalisiert werden. Verhandlungen bedingen zudem, daß alle politischen Gruppen freie Versammlungen abhalten können.
Also nochmals: Verhandlungen erst dann, wenn alle Auflagen über politische Aktivitäten aufgehoben sind - und alle entsprechenden Gesetze obsolet. Und letztlich und endlich: Politische Verhandlungen funktionieren nur dann, wenn Schwarze sich ihre Delegierten frei wählen können; freie Wahl der Verhandlungsparteien ist der beste Beweis.
Schritte wie Freilassung aller Häftlinge, Legalisierung von Organisationen, Aufhebung des Ausnahmerechts und ein Testlauf schwarzer Wahlfreiheit sind eben nicht unrealistische Vorbedingungen, um Verhandlungen zu verhindern, sondern ermöglichen erst das Ver-Handeln. Westliche Demokratien, die jetzt auf Gespräche drängen, können Kritiker, die eben diese Voraussetzungen fordern, nicht als Verhinderer von Gesprächen abtun. In einem Klima, in dem der internationale Druck nach Verhandlungen wächst, kann man Pretoria zwingen, viele dieser Konzessionen zu erfüllen. Die Regierung wird es tun, um den Druck zu mindern. Wenn sie es tut, hat die außerparlamentarische Opposition die einmalige Chance, die Regierung dort herauszufordern, wo sie am schwächsten ist - in der politischen Arena.
Sicherlich ist das nicht einfach. Die Opposition muß viele ihrer Methoden überdenken. Das neue Spiel braucht subtilere Strategien, als nur Massendemonstrationen zu organisieren. Die Opposition muß vielleicht bereit zu Verhandlungen sein, während die Apartheid weiterexistiert. (Was natürlich nicht heißt, daß man die Bedingungen der anderen Seite akzeptiert.) Und die, die den „bewaffneten Kampf“ führen, werden ihn aussetzen müssen, wenn die Verhandlungsbedingungen erfüllt sind. Für einige Aktivisten ist das sicherlich ein unakzeptabler Kompromiß. In Wirklichkeit aber ist das vielleicht gar kein Kompromiß, sondern die Chance, von einigen Methoden Abschied zu nehmen, die gescheitert sind, und neuen eine Chance zu geben, weil sie vielleicht gewinnen.
Steven Friedman, Mitarbeiter der linken südafrikanische
Wochenzeitung 'Weekly Mail‘. Der Kommenta
ist in deren jüngster Ausgabe erschienen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen