: Regierungskrise in Israel: Koalition auf der Kippe
Politbüro der Arbeiterpartei sprach sich für Beendigung der Koalition mit Likud-Block aus / Shamir-Plan soll Basis der Regierungspolitik bleiben / Baker: „Keine voreiligen Schritte“ ■ Aus Tel Aviv Amos Wollin
Die israelische Arbeiterpartei hat ein Signal gesetzt: Ihr Politbüro sprach sich gestern für eine Beendigung der Koalition mit dem rechts-nationalistischen Likud-Block aus. Ob dieser Resolution Taten folgen werden, wird sich nächste Woche abzeichnen, wenn eine hochrangige US-Delegation Israel besucht. Diese wird auch darauf drängen, einen Koalitionsbruch zu vermeiden. Schon gestern forderte US -Außenminister James Baker Parteichef Shimon Peres in einer Botschaft auf, „keine voreiligen Schritte“ zu unternehmen und vor einer Aufkündigung der Koalition „gründlich nachzudenken“.
Anlaß der Sitzung war eine Entscheidung des Likud-Blocks von letzter Woche, den Plan von Ministerpräsident Jitzhak Shamir, Wahlen in den besetzten Gebieten abzuhalten, an zusätzliche Bedingungen zu knüpfen. Diese entsprechen den Forderungen der innerparteilichen Kritiker um den Hardliner Ariel Sharon. „Die Arbeiterpartei ist zu dem Schluß gekommen, daß in Anbetracht der jüngsten Ereignisse... die der Friedensinitiative der Regierung schweren Schaden zugefügt haben, es am angemessensten wäre, die Konsequenzen zu ziehen und die gegenwärtige Regierung auf ehrenhafte und verantwortliche Weise aufzulösen“, erklärte Peres vor den Mitgliedern des Parteivorstandes. Mit 45:2 Stimmen wurde gestern nachmittag eine entsprechende Resolution verabschiedet. Die übrigen 67 Mitglieder des Politbüros nahmen an der Abstimmung nicht teil. Einige erklärten, sie seien mit dem Kurs der Partei nicht einverstanden. Nun muß das 1.330köpfige Zentralkomitee der Partei eine endgültige Entscheidung herbeiführen.
Doch ehe das Gremium zusammentritt, stehen Tage des politischen Feilschens bevor. Mit der Resolution hat die Arbeiterpartei ihre Position verstärkt, um den Koalitionspartner mit Hilfe der USA zu Kompromissen zu bewegen: Ungeachtet der Entscheidung des Likud, die unter anderem eine weitere Siedlungstätigkeit und Ablehnung jedweder Verhandlungen mit der PLO vorsieht, soll der Shamir -Plan Grundlage der Politik der Regierung bleiben. Mit dieser Position kann sich namentlich Rabin anfreunden, der innerhalb der Arbeiterpartei die Fraktion derer anführt, die sich einer Politik des Abwartens verschrieben haben.
Der US-Administration, die mit der jüdischen Lobby an einem Strang zieht, kommt dabei eine entscheidende Rolle zu. Mit Drohungen, „die Möglichkeiten einer internationalen Konferenz“ zu prüfen, hoffen hochrangige Beamte des State Departement in Washington, die Koalitionsregierung in Israel auf den ursprünglichen Shamir-Plan zu Fortsetzung auf Seite 2
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verpflichten. Dieser hatte den USA genügend Rückendeckung für ihre Gespräche mit der PLO in Tunis gegeben. Israel lehnt eine internationale Nahost-Friedenskonferenz ab, da dann auch die Sowjetunion und die PLO mit von der Partie wären.
Man kann davon ausgehen, daß die US-Delegation, die vom zweiten Mann im State Departement, Lawrence Eagleburger, angeführt wird, vor allem eine Aufgabe haben wird: den status quo ante der Koalitionsregierung wieder herzustellen und auf einer flexiblen Haltung in der Frage von Wahlen in den besetzten Gebieten zu insistieren. Dies entspricht auch der Position Shamirs, der am Sonntag erklärte, der Beschluß des Likud-Zentralkomitees sei nicht formell Teil seines Plans. Der Ministerpräsident ist auch an einer Aufrechterhaltung der Koalition interessiert, weil er Sharon und seine Freunde in ihre Schranken zu verweisen möchte. Solange Rabin sich ebenfalls mit dieser Perspektive anfreunden kann, wird die Arbeiterpartei nach Auffassung Washingtons die Koalition nicht verlassen.
Die Partrei von Shimon Peres wird
sich einen solchen Schritt in der Tat zweimal überlegen. Ein Bruch der Koalition würde Neuwahlen nach sich ziehen und in Israel ist die Rechte derzeit auf dem Vormarsch. Bei den im Herbst anstehenden Wahlen der mächtigen Histadrut -Gewerkschaft, einer traditionellen Bastion der Arbeiterpartei, wird damit gerechnet, daß Likud gleichzieht. In einem Bericht des ehemaligen US-Botschafters in Israel, Samuel Lewis, über die Lage der Arbeiterpartei hieß es gar, die Popularität von Peres sei noch nie so gering gewesen wie jetzt. Nach Auffassung der USA ist die Arbeiterpartei zu schwach, um gegenüber der entschlossener auftretenden und zahlenmäßig überlegenen Rechten einen Friedensprozeß voranzubringen.
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