: „Das Volk sind wir alle“
Der Sozialdemokrat Adi Sander (53) zu den Reaktionen auf seinen „offenen Brief“ vom 11. Juni an die militante „Haßkappen-Fraktion“ / Antifa-Gruppe will mit ihm diskutieren ■ I N T E R V I E W
taz: Du hast in der taz vom Dienstag einen offenen Brief veröffentlicht, in dem du dich an die Leute wendest, die am 1. Mai und am 8. Juli in Kreuzberg Krawall gemacht haben. Gab es auf den Brief Reaktionen?
Adi Sander: Ja, es gab Reaktionen. Zunächst einmal in den Medien, aber auch von einer Gruppe, die sich Antifa-Gruppe nennt und die mit mir reden möchte über den Einsatz von Gewalt. Das finde ich schon mal positiv. Aber es gab auch Reaktionen von rechter Seite. Diese Leute sagen, die sind ja alle vom Osten gesteuert, mit denen ist es nicht möglich, den Dialog zu führen. Das waren leider die einzigen Reaktionen. Die, auf die es mir ankommt, haben sich leider nicht gemeldet.
Dein Brief war an die „Gesichtslosen mit rotgeränderten schwarzen Motorradkappen“ gerichtet.
Ich meine die Leute, die am 1. Mai vom Hügel aus den Krieg angezettelt haben, und denen ich mich vergeblich in den Weg gestellt habe. Und die, die am 8. Juli den Bauwagen auf die Fahrbahn geworfen haben.
Warum suchst du mit ihnen den Dialog?
Ich will diese jungen Leute daran hindern, sich selbst zu Outlaws unserer Gesellschaft zu machen. Ich möchte sie uns unbedingt als Nachbarn und Bürger erhalten.
Du bist SPD-Mitglied und ehemaliger Geschäftsführer der SPD-Fraktion Kreuzberg. Hast du den Aufruf als Parteifunktionär gestartet?
Nein. Als Partei kämen wir wahrscheinlich an die Leute noch weniger ran, weil die Parteien ja zum Schweinesystem gehören. Sie sind als Dialogpartner nicht so gut geeignet, deshalb wollte ich das nur als Privatperson machen.
Glaubst du im Ernst, daß sich die Anhänger der harten Haßkappen-Fraktion mit dir auseinandersetzen?
Ich hoffe es sehr, denn ich halte ihr Verhalten für sehr elitär. Wenn man das Widerstandsrecht und seinen Stellenwert im Grundgesetz betrachtet, dann hat das Recht zum Widerstand nur der Souverän und nur im Falle, wenn Staat oder Staatsorgane die verfassungsmäßige Ordnung außer Kraft setzen, um diese Ordnung wiederherzustellen. Das Volk sind nicht diese paar Männeken, sondern wir alle. Es muß schon eklatante Verstöße gegen die verfassungsmäßige Ordnung gegeben haben, bevor man die Gewaltfrage stellt.
Du versuchst die Leute in deinem Aufruf damit herauszufordern, „wenn ihr Kerle seid, für die ihr euch ausgebt, dann meldet ihr euch bei mir ...„
Das war provokativ geschrieben, weil ich sie eben aufrütteln wollte, mit mir zu reden.
Und du hältst auch weiterhin daran fest?
Ich kann nur noch mal aufrufen. Bitte meldet euch bei mir.
Interview: plu
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