Wird der Polizeiapparat reformiert

Polen-Serie „Kleine Geschichte der Revolution“, vierter Teil / Polizei in Polen: Erst Prügel, dann Diskussion mit Opfern / Solidarnosc erhebt keine grundlegende Reformforderung  ■  Aus Warschau Klaus Bachmann

„Wenn es uns nicht gäbe, könntet ihr doch abends nicht mehr auf die Straße“, rief ein junger Bursche aus der hinteren Reihe erregt. Gerade hatt Jerzy Zimowski, Stettiner Solidarnosc-Abgeordneter seine Forderung nach Auflösung der Sondereinheit Zomo, zu deutsch „Motorisierte Einheiten der Bürgermiliz“, verlangt. Bisher wurden diese Einheiten hauptsächlich zur Niederschlagung von Streiks und Demonstrationen eingesetzt, die sich durch besondere Brutalität auszeichneten. Während des Wahlkampfes kam es in Stettin erstmals zu einer Diskussion zwischen Tätern und Opfern. Solidarnosc-Aktivisten diskutierten mit Zomozisten, Polizisten und Soldaten. Während sich die Zomo-Mitglieder aufs heftigste gegen die Angriffe verteidigten, waren sich Solidarnosc und gewöhnliche Polizei häufig sogar einig. Nur vom Militär meldete sich keiner zu Wort.

Nach Berechnungen von Bürgerrechtlern ist die Zahl der Polizisten in Polen heute dreimal so groß wie vor dem Krieg. Angehörige der Polizei und Armee leben meist Gesellschaft isoliert. Die Bevölkerung begegnet ihnen mit offener Abneigung. Außerdem gibt es spezielle Geschäfte für Polizisten, zu denen Normalsterbliche keinen Zutritt haben, in denen es aber Waren gibt, die sonst nur auf dem Schwarzmarkt oder in Devisenläden zu haben sind. Zomo -Angehörige sind dazu noch kaserniert und dem permanenten Einfluß sogenannter Politoffiziere ausgesetzt. die Opposition hat bisher nicht versucht, auf diese Praktiken Einfluß zu nehmen. Nicht geringen Eindruck allerdings hat es in den Kasernen gemacht, als dort bei den Wahlen erstmals Kontrolleure des Bürgerkomitees der Solidarnosc auftauchten.

Reformen dieses Sektors hat die Opposition indessen nicht gefordert, und überläßt diesen Bereich um des lieben Friedens willen ganz der Staatsmacht. Ihre Forderungen beziehen sie lediglich auf Gesetzesmaßnahmen, die der polizeilichen Willkür Riegel vorschieben. Die einzige strukturelle Forderung, die Geheimpolizei soll einem Sejm -Ausschuß unterstellt und Polizei- und Militärausgaben um 20 % gekürzt werden. Dies ist von den Ministerien bereits entrüstet zurückgewiesen worden. Spätestens bei den Budgetberatungen in Sej, wird das Problem wieder auf die Tagesordnung kommen. Mit ihrer Mehrheit im Senat kann die Opposition das Budget blockieren. Wie wenig sich die Demokratisierung auf die Polizei ausgewirkt hat, zeigte sich sogar während der ersten Parlamentsdebatte - drinnen wurden die Abgeordneten vereidigt, draußen prügelten Zomo-Einheiten eine Anti-Jaruzelski-Demonstration zusammen.