piwik no script img

„Eine Reihe von Weißen ist unruhig geworden“

Curnick Ndlovu, geschäftsführender Vorsitzender der UDF Südafrika, zu politischen Veränderungen im Apartheidstaat  ■ I N T E R V I E W

Ndlovu war von 1964 bis 1984 in Südafrika in Haft, die meiste Zeit auf Robben Island. Er ist 1985 zum Vorsitzenden der United Democratic Front (UDF) gewählt worden, 1986 verhaftet. Seit drei Jahren lebt er in Südafrika im Untergrund. Alter 58. Er war Teilnehmer der von Präsident Bush in die USA eingeladenen UDF-Delegation.

taz: Sehen Sie Veränderungen in der Politik der südafrikanischen Regierung?

Ndlovu: Nein, ich sehe keine Wende in der grundlegenden Position der Führung der Nationalen Partei. Zwar werden sie durch den internationalen Druck und interne südafrikanische Faktoren gedrängt, bestimmte Veränderungen vorzunehmen. Aber diese verbleiben im Rahmen ihrer bisherigen Politik. Sie kooptieren zum Beispiel einige Kollaborateure. Sie nehmen jedoch nicht zur Kenntnis, was die Mehrheit will. Unser Volk wird nach wie vor brutal mißhandelt, 80 politische Aktivisten sitzen in Todeszellen, unsere Führer sind inhaftiert.

Welche Rolle spielen wachsende Spannungen innerhalb der weißen Minderheit?

Die Auseinandersetzungen rühren daher, daß eine Reihe von Weißen unruhig geworden sind. Sie haben erkannt, daß die Nationale Partei seit vierzig Jahren nicht zu einer wirklichen Veränderung fähig ist. Bei Akademikern und Intellektuellen, auch bei vielen Geschäftsleuten findet ein Umdenken statt. Einige haben angefangen, mit dem ANC über ein zukünftiges, nicht rassistisches Südafrika zu diskutieren, obwohl die Regierung solche Gespräche ablehnt.

Was halten Sie von der These, daß es Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Regierung gibt?

Botha hat zweifellos Probleme mit seinem eigenen Kabinett und mit seinem designierten Nachfolger de Klerk. Er hat eine Party, die seine Partei zu seinen Ehren ausgerichtet hatte, boykottiert. Er nahm nicht teil am Parteikongreß, auf dem de Klerk's sogenannter „Fünf-Jahres-Plan“ verabschiedet wurde. Botha hat auch gesagt, er werde niemals mit sogenannten „terroristischen Mördern“ sprechen. Am Ende seiner Amtszeit erleben wir nun, daß er mit Nelson Mandela gesprochen hat. Ich glaube, er hat das getan, um es für de Klerk schwieriger zu machen, nach den Wahlen im September als derjenige dazustehen, der als erster Regierungschef Mandela gesprochen hat und ihn freiläßt. Botha gönnt de Klerk diese Lorbeeren nicht.

Sind Sie denn der Meinung, daß sich Mandela für diese internen Streitigkeiten benutzen läßt?

Nein. So etwas können wir überhaupt nicht sagen. Wir wollen nicht spekulieren oder sogar Mandela verurteilen. Wir haben keinen direkten Kontakt mit Mandela. Wir wissen nicht, was wirklich passiert ist. Die Situation unterstreicht die Forderung nach seiner Freilassung, damit er für sich selber sprechen kann.

Meinen Sie, daß die Anti-Apartheid-Opposition diese internen Auseinandersetzungen und persönlichen Querelen ausnutzen kann?

Natürlich. Wir wollen alle Gelegenheiten, die sich aus Problemen des Gegners ergeben, nutzen.

... vor allem, indem Sie die Vorbedingungen für sinnvolle Verhandlungen hervorheben?

Ja. Seit der ANC 1912 gegründet wurde, ist das Streben nach Verhandlungen Teil unserer Politik. Wir wollen verhandeln. Es ist die Regierung, die sich hartnäckig weigert. Sie muß die Bedingungen schaffen, unter denen sinnvolle Verhandlungen, die für alle Menschen in Südafrika akzeptabel sind, überhaupt erst möglich sind. Wie kann man von Verhandlungen reden, solange der Ausnahmezustand existiert, unsere Organisationen verboten sind, unsere Führer im Gefängnis sitzen? Das alles muß abgeschafft und eine freie politische Betätigung gewährleistet sein, bevor solche Verhandlungen möglich sind.

Wird das Gespräch zwischen Botha und Mandela Auswirkungen auf die weiteren Gespräche des Widerstandes mit Teilen der Weißen haben?

Auf jeden Fall. Es gibt viele Weiße, die den ANC als ein Ungeheuer ansehen. Es gibt Leute, die sehr viel Furcht davor haben, mit dem ANC zu reden, weil jeder Kontakt mit dem ANC strafbar ist. Botha war einer derjenigen, die am vehementesten die Gespräche einer Reihe von Weißen in Lusaka mit dem ANC verurteilt haben. Seine Unterredung mit Mandela unterstützt die Haltung derjenigen Weißen, die gesagt haben, sie werden trotz des Verbotes weiterhin mit dem ANC sprechen. Ich glaube nicht, daß die südafrikanischen Behörden nun noch in der Lage sein werden, solche Weißen zu verhaften.

Interview: Jerry Sommer/London

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen