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Südkorea entläßt Schüler und Lehrer

■ Erziehungsministerium will Lehrer wegen Gewerksschaftsarbeit entlassen / 700 Lehrer hinter Gittern / Hungerstreik und Proteste

Seoul (taz/dpa) - Über 10.000 südkoreanische Schüler konnten am Donnerstag ihre Schulbücher zuschlagen. Sie wurden frühzeitig in die Sommerferien geschickt, nachdem an einigen hundert Oberschulen Proteste der Lehrer den Unterricht praktisch lahmgelegt haben. An 294 Schulen traten 2.870 gewerkschaftlich organisierte Lehrer in einen Hungerstreik, der von Tausenden von Schülern mit Demonstrationen und Unterrichtsboykott unterstützt wird. Anlaß war das harte Vorgehen der Regierung gegen die Gründung einer Lehrergewerkschaft.

An vielen Schulen gingen im Verlauf der Proteste Bänke, Tische und Stühle zu Bruch. In der Stadt Taegu protestierten über 4.000 Schüler gegen die Maßreglungen der Erziehungsbehörden für gewerkschaftlich organisierte Lehrer. Mit den Worten „Laßt uns ein neues Erziehungssystem schaffen!“ stürzten sich vor einem Monat zwei südkoreanische Schüler einer Seouler High-School aus dem dritten Stock einer Schule - aus Protest gegen die Entlassung eines Aktivisten der verbotenen Lehrergewerkschaft „Chonkyojo“. Nur durch glückliche Umstände überlebten die beiden den Sturz in die Tiefe.

Das Erziehungsministerium hat die Gewerkschaft als illegal bezeichnet und will ihre Mitglieder ohne Ausnahme aus dem Schuldienst entlassen.

Bei einer Demonstration in Seoul waren am vergangenen Sonntag fast 2.000 Lehrer festgenommen worden, von denen über 700 noch immer im Gefängnis sitzen. Nach eigenen Angaben zählt die Gewerkschaft etwa 20.000 Mitglieder, denen Disziplinarmaßnahmen und die Entlassung droht. Erziehungsminister Chung Won Shik bekräftigte am Donnerstag in einem Rundschreiben an alle Schulen des Landes, daß die Gewerkschaft nicht erlaubt werde. Die Lehrer seien weniger an einer Verbesserung des Erziehungssystems als am „politischen Kampf gegen die Regierung“ interessiert, schrieb Chung.

Tatsächlich reagiert die Regierung zunehmend mit Verhaftungen und Großrazzien auf den politischen Druck. Dissidentengruppen verlangen den Rücktritt von Staatschef Roh. Er hat es ihrer Ansicht nach nicht geschafft, mit dem Regime des Exdiktators Chun Doo Hawn aufzuräumen. Zudem hat er durch die endgültige Absage des angekündigten Vertrauensvotums den Zorn der Aktivisten auf sich gezogen.

Eine Welle von Streiks und Arbeiterunruhen hat nach Regierungsangaben seit Jahresanfang Produktionseinbußen von 4,5 Milliarden Dollar verursacht. Mit den Arbeitern der Daewoo-Werft, zweitgrößtes Schiffsbauunternehmen Südkoreas, konnte nach dem Einsatz von Schlägertrupps gegen die Streikenden noch ein Kompriß ausgehandelt werden. Während die Regierung umgerechnet eine Milliarde Mark in Form von vergünstigten Krediten in die Werft pumpen will, und der Daewoo weitere Steuererleichterungen in Aussicht gestellt hat, sollten die Arbeiter in diesem Jahr völlig leer ausgehen. Sie hatten jedoch eine Lohnerhöhung von 50 Prozent gefordert.

Südkoreas Machthaber wollen jedoch die angeblich außer Kontrolle geratenen Lohnerhöhungen - die sie für die zunehmenden Exportschwierigkeiten verantwortlich machen - in den Griff bekommen. Anfang Juli werden Richtlinien in Kraft treten, die die Erhöhung der Tarife von der Zunahme der Produktivität abhängig macht.

sl

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