: Attentat auf tamilischen Politiker Kraftprobe zwischen Indien und Sri Lanka
■ Bekanntester tamilischer Politiker in Sri Lanka erschossen / Gespannte Verhandlungen über den indischen Truppenabzug aus Sri Lanka / Regierung lenkt im Transportarbeiter-Streik ein
Colombo/Madras (ips/taz/afp) - Mutmaßliche tamilische Extremisten haben am Donnerstag in Sri Lanka den bekanntesten gemäßigten tamilischen Politiker des Landes, Appapillai Amirthalingam, und einen seinen Mitarbeiter ermordet. Der Führer der Vereinigten Tamilischen Befreiungsfront (TULF) war auf der Stelle tot, hieß es aus Colombo. Die Angreifer, die vermutlich der Guerillaorganisation „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ (LTTE) angehörten, töteten außerdem mit V. Yogeshwaran einen weiteren führenden TULF-Politiker und verletzten das leitende Parteimitglied M. Sivasithambaram schwer. Das Parlamentsmitglied Amirthalingam galt als Vaterfigur der tamilischen Separatisten auf Sri Lanka, die ein unabhängiges Gebiet mit Namen Eelam fordern.
Die LTTE führt gegenwärtig Friedensgespräche mit der srilankischen Regierung, während sie andererseits noch in einen Buschkrieg mit den sogenannten indischen Friedenstruppen verwickelt ist, die unter dem vorigen srilankischen Präsidenten Junius Jayewardene auf die Inseln gerufen worden sind.
Der Anschlag ereignete sich kurz nachdem der Außenminister Sri Lankas eine militärische Konfrontation mit den indischen Truppen auf Sri Lanka als möglich bezeichnet hatte, falls diese nicht bis Ende des Monats abzögen. Seit Mittwoch mittag verhandelt ein Sondergesandter des indischen Premierministers Rajiv Gandhi mit der srilankischen Regierung, über den Abzugstermin. Unter innenpolitischem Druck von seiten der singhalesisch-chauvinistischen Volksbefreiungsfront JVP und der LTTE hatte Sri Lankas Präsident am 1. Juni ultimativ den Abzug der 45.000 Mann bis zum 29. Juni verlangt. Doch schon jetzt steht fest, daß die indischen Soldaten noch einige Monate auf der Insel bleiben. Ein Ultimatum lehnte Gandhi kategorisch ab. Nur aufgrund gegenseitiger Verhandlungen könne der Abzug beschlossen werden, hieß es aus Neu Delhi. Darüber hinaus wünschte der indische Ministerpräsident, daß - entsprechend dem Friedensvertrag - der tamilischen Minderheit in Sri Lanka mehr Macht übertragen werde.
Am Donnerstag bewies die nationalistische JVP, der die indische Truppenpräsenz eine „antiindische Plattform“ geliefert hatte, einmal mehr, daß sie in der Lage ist, die Politik der Regierung zu bestimmen. Sie gab die Beendigung des mehrwöchigen Streiks der Transportmittelbeschäftigten bekannt, bei dem sie die Regie übernommen hatte, und rief sie über das staatliche Radio auf, sofort wieder an die Arbeit zu gehen. Die Regierung stimmte einer zehnprozentigen Lohnerhöhung zu. Der Streik hatte die Regierung veranlaßt den Ausnahmezustand zu verhängen, als Arbeitswilige von der JVP mit Waffengewalt zum Ausstand gezwungen wurden.
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