piwik no script img

Kampf als Notwendigkeit

■ Im Frauenkulturzentrum Begine wurde über „feministische Bewegungskultur“ und Karate diskutiert

Dem Motto „Frauensport und Körperkult(ur) im 20.Jahrhundert“ widmete das Frauenkulturzentrum Begine derzeit ihr Kulturprogramm im Juli. Sportkritik, aber auch der Entwurf eines anderen Sportbegriffs, „einer feministischen Bewegungskultur“ ist dabei die Idee der Organisatorin Tamara Hulthaupt (37). Frauensportvereine haben Gelegenheit, sich vorzustellen, von ihrem Konzept und ihren Aktivitäten zu erzählen. Vorträge, die sich mit Theorie und Geschichte des (Frauen-)Sports beschäftigen, grenzen sich kritisch von der gängigen Vorstellung eines graziösen, aggressionslosen Frauensports ab, wollen aber auch nichts mit der Wettbewerbs - und Leistungsfixierung des Männersports zu tun haben.

Diese Abgrenzung betonte auch Edith Kramer (38) am vergangenen Mittwoch, als sie unter dem Titel „Die leere Hand“ vom Karatetraining des Vereins „Selbstverteidigung für Frauen e.V.“ berichtete. Die frischgebackene Braungurtfrau hatte vor acht Jahren mit Karate angefangen, um andere Frauen kennenzulernen, nach und nach sei „aber der meditative Aspekt“ hinzugekommen, der im männerdominierten Sportkarate oft verloren ginge. Auslöser für die Gründung der Vereins in der Hauptstraße sei vor 13 Jahren das starke Interesse von Frauen an Selbstverteidigung gegen Männergewalt gewesen. Was 1976 als politisches Muß frauenbewegter Frauen galt, verkümmerte vor wenigen Jahren unter der Aerobicwelle zu einem Sportangebot unter vielen. Erst seit zwei Jahren sei der Zulauf wieder stärker geworden, was Birgit, eine der im Publikum anwesenden Trainerinnen, auf die wieder stark ansteigende Gewalt gegen Frauen zurückführt. Allerdings gab Edith zu bedenken, daß auch heute „die meisten sich im Sinne eines Workshops was abholen wollen“. Effektive Techniken seien aber keine Sache von Wochen oder Monaten.

Wie das mitgebrachte Video zeigte, auf dem die ersten beiden Schwarzgutprüfungen des Vereins vom April dieses Jahres aufgezeichnet waren, besteht der Unterricht auch aus vielen klassischen Elementen. Katas - „ritualisierte Kämpfe gegen imaginäre Gegner“ , Freikampf, Stock- und Messerabwehr und die immer wieder zu übenden Grundtechniken - „Kihon“ bilden die Bestandteile des Trainings und der Gurtprüfungen. Letztere wurden jahrelang abgelehnt, weil sie zunächst als repressiv und autoritär empfunden worden waren. Mittlerweile trauen sich die Frauen der Hauptstraße zu, die Prüfungen „als intensive Vorbereitung und Überprüfung des eigenen Könnens“ statt als Konkurrenzdruck zu sehen.

Doch nicht nur darin liegt der Unterschied zu den gängigen Karateclubs. Spuren der Vergangenheit äußerten sich oft in verkrampften Bewegungen der Karatekämpferinnen und Hemmungen beim Zuschlagen, da „jede unserer Erfahrungen sich in unseren Bewegungen ausdrückt“. Gerade am Anfang sei Vertrauen zur Trainerin wichtig, welche oft die Funktion einer weiblichen Identifikationsfigur einnähme. Die meisten Frauen springen allerdings nach zwei Jahren wieder ab. Als Regel gilt, daß erst nach vier Jahren Training die Wahrscheinlichkeit eines lebenslangen Dabeibleibens besteht. Wer danach, so betont Edith Kramer, noch trainiere, würde es nicht bei zweimal in der Woche belassen, sondern „auch am Sonntag morgen um 9 Uhr kommen“. Das ständige Üben festgelegter Bewegungsrituale schule das Bewußtsein und würde im Lauf der Jahre sowohl zu einer anderen Körperhaltung als auch zu einer anderen Ausstrahlung führen. Kurzfristig komme es nach der erfolgreichen Grüngurtprüfung auch mal zur Selbstüberschätzung, die aber der Ernüchterung durch den Alltag in einer Männerwelt bald wieder Platz mache.

Ziel sei es aber, Kampf als Notwendigkeit, nicht als Genugtuung zu begreifen. Frauen, die im „Selbstverteidigung für Frauen e.V.“ Karate, vornehmlich den Wado-Ryu-Stil, lernen, sollen „die Fähigkeit erwerben, gefährliche Situationen richtig abzuschätzen“.

Karin Figge

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen