: Wie Du mir
■ Gespräch mit Thomas Brooman, dem Direktor der englischen „Womad„-Stiftung, anläßlich des ersten „Weltbeat„-Festivals vom 21. bis 23.Juli in Hamburg
In einer Zeit, in der Begriffe wie „Weltmusik“ oder „Ethno -Beat“ fast zum Allgemeingut gehören und Namen wie Ofra Haza, Mory Kante oder Cheb Kader auch dem unbedarftesten Disco-Kid geläufig sind, wird allzu leicht übersehen, daß es jahrelanger Arbeit von oft nur milde belächelten Enthusiasten bedarf, um der Musik aus anderen Erdteilen auch in Europa Geltung zu verschaffen. Die vielleicht wichtigste Institution in dieser Hinsicht ist die englische Womad -Stiftung („World of Music, Arts and Dance“), die im Frühjahr 1982 u.a. auch von Peter Gabriel ins Leben gerufen wurde. Nach vielen Rückschlägen (so stand man z.B. bereits nach dem ersten Festival 1982 vor einem Schuldenberg von 190.000 Pfund, der nur durch ein Benefizkonzert von Genesis beglichen werden konnte) hat sich Womad in den letzten Jahren zu einer Organisation entwickelt, die weltweit ihresgleichen sucht. Mit Festivals (allein in diesem Jahr sind es weltweit neun!), Tourneen, einem eigenen Plattenlabel und nicht zuletzt auch pädagogischen Projekten ist Womad inzwischen die Lobby schlechthin für die kulturellen Ausdrucksformen der verschiedensten Erdteile.
Am kommenden Wochenende gastiert das Womad-Festival unter dem Titel „Weltbeat“ zum ersten Mal in Deutschland und präsentiert im Hamburger Stadtpark eine hochkarätige Auswahl an Musikern und Tänzern, die wesentliche Spielarten der Weltmusikszene vorstellen werden. Thomas Brooman, künstlerischer Direktor von Womad, hat zu einigen Aspekten der Arbeit seiner Organisation Stellung genommen.
Thomas Brooman: Die Anfänge von Womad sind sehr eng mit Peter Gabriel verknüpft: Im Januar 1981 hat er eine Reihe von Leuten angesprochen, u.a. auch David Byrne und Brian Eno, und seine Begeisterung insbesondere für die afrikanische Musik zum Ausdruck gebracht, die seine eigene Musik damals ja schon sehr beeinflußt hatte. Seine Idee war es, für das, was er an kreativen Einflüssen aus dieser Musik bezogen hate, auch etwas zurückzugeben, indem er seine Popularität dafür einsetzte, afrikanische Musiker zu einem gemeinsamen Konzert einzuladen. Im Kern ging es um die Idee, daß die Popmusik ihren Einfluß nutzen sollte, um Musikern aus aller Welt in Europa zu einem größeren Publikum zu verhelfen. Und zwar nicht, indem man sie auf eine Bühne stellt und sagt: „Schaut her, das ist Afrika!“, sondern um den Prozeß der gegenseitigen Beeinflussung darzustellen. Diese Idee hat sich dann ungeheuer schnell ausgeweitet und im April 1982 zur Gründung von Womad geführt.
taz: Das politische Klima in Großbritannien war zu der Zeit für ein solches Unternehmen doch sicherlich nicht gerade günstig?
Nein, überhaupt nicht, aber gleichzeitig war dieses ökonomische Klima auch dafür verantwortlich, daß Leute wie Bob Hooton und ich damals schon seit neun Monaten ohne Job waren. Es war sehr schwierig in dieser Zeit einer wirklichen Rezession, aber das hat natürlich auch eine Menge Bewegung in die Musikszene gebracht - vieles davon ist in den letzten zehn Jahren aus der Situation der Arbeitslosigkeit heraus entstanden, also durch Leute, die ohne Job dastanden und etwas mit ihrem Leben anfangen wollten, das mit ihnen und ihren Bedürfnissen zu tun hatte.
In diesem Sinne haben wir natürlich in großem Maße von dieser Situation profitiert, z.B. durch den enormen Anteil an unbezahlter Arbeit, die in der Anfangszeit von sehr intelligenten und fähigen Leuten geleistet wurde. Das ist die positive Seite, aber auf der Minusseite stand eben: kein Geld, keine Zuschüsse, schon gar keine Sponsoren...
Hat sich diese finanzielle Situation in der letzten Zeit gebessert?
In England kaum! Wir erhalten einen sehr bescheidenen Zuschuß, aber das ist so marginal, daß z.B. die öffentlichen Zuschüsse für die Veranstaltungen in diesem Jahr gerade drei Prozent des gesamten Budgets ausmachen! Ich halte diese Situation für eine Schande und für absolut unangemessen nicht so sehr für uns, aber für eine Menge anderer Leute hier. Großbritannien brüstet sich damit, ein kultureller Schmelztiegel zu sein, der vielen anderen Ländern voraus ist, und es ist einfach schrecklich, daß diesem Stolz überhaupt keine finanzielle Substanz zugrundeliegt.
Müßte es im Grunde nicht in jedem westeuropäischen Land eine Institution wie Womad geben? Oder wollt Ihr lieber alles selbst unter Kontrolle haben?
Wenn unser Konzept von anderen Festivals oder Plattenfirmen kopiert wird, dann zeigt das doch nur, daß es einen Markt dafür gibt. Ich habe nichts dagegen, mir diesen Markt mit anderen zu teilen, und das hat ja nicht nur einen kommerziellen Aspekt. Wir nehmen die Ziele unserer Stiftung sehr ernst, wollen eine breitere Resonanz für Musik und Tanz aus aller Welt erreichen; wenn also diesem Ziel durch die Aktivitäten anderer geholfen wird, umso besser! Zumindest, solange dabei auch noch Raum für uns zum Überleben bleibt, aber das wird sicher der Fall sein.
Vor 1982 hatten wir keinerlei Gewißheit, daß ein englisches Publikum unser Veranstaltungskonzept annehmen würde, und bevor wir damit nach Dänemark, Kanada oder jetzt auch nach Finnland gingen, wußten wir das auch nicht vom Publikum in diesen Ländern. Ich bin sehr zuversichtlich, daß das überall so sein wird, wo wir hinkommen - es sind eben sehr lebendige und gleichzeitig auch herausfordernde Veranstaltungen.
Und was hältst Du von der zunehmenden Kommerzialisierung in diesem Bereich?
Natürlich liegt eine Gefahr in diesem hauptsächlich von den Medien entfachten Interesse, das genauso schnell wieder abnimmt, wie es hochgetrieben wird. Aber auch wenn es das Ergebnis von „hype“ ist, daß die Leute hingehen und sich z.B. bulgarische Gesänge anhören, so glaube ich doch, daß im Endeffekt die Mehrheit neugierig wird und bereit ist, mehr solcher Wagnisse einzugehen, weitere Schritte ins Ungewisse zu unternehmen. Wo es wirklich gefährlich wird, ist, wenn Künstler minderer Qualität angeboten und auf diese unkritische Art gepusht werden, wie man sie leider so häufig in den Medien antrifft. Aber die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, daß es heute ein größeres und beständigeres Publikum für diese Art von Musik gibt als je zuvor.
Das Gespräch führte Jürgen Schmitz
„Weltbeat“ - Stadtpark Hamburg:
Freitag: Guo Brothers & Shung Tian (China), Musicians of the Nile (Ägypten), Jean-Michel Cabrimol (Martinique) und Super Diamono de Dakar (Senegal)
Samstag: Taarab Ensemble (Sansibar), Trio Bulgarka & Balkana (Bulgarien), Najma Akhtar (Indien/GB), Remmy Ongala (Tansania) und Einstürzende Neubauten (BRD)
Sonntag: Guo Brothers, Remmy Ongala, Arrow (Montserrat), Mohammed Mounir (Ägypten) und Sabri Brothers (Pakistan)
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