Wirtschaftsminister erlag Schockpolitik

Nach nur sechs Tagen im Amt starb Argentiniens Wirtschaftsminister Miguel Roig an einem Herzinfarkt / Argentiniens Wirtschaftspolitik von multinationalen Konzernen gelenkt / IWF und Weltbank zufrieden / Nachfolger Roigs ebenfalls Mitglied eines Großkonzerns  ■  Aus Montevideo Gaby Weber

Sechs Tage lang war der argentinische Wirtschaftsminister Miguel Roig im Amt gewesen, dann starb er am Freitag in seinem Dienstwagen an einem Herzinfarkt. Unklar ist, was die Ursache für Miguel Roigs Herzschlag war: die täglichen 120 Zigaretten und 50 Tassen Kaffee oder der Gedanke an die Gewalt der Hungernden: Roig war gerade von einem Botschafts -Empfang zum Gedenken an die französische Revolution zurückgekehrt.

Möglicherweise hat Roig auch der Kummer über sein neues Wirtschaftsprogramm den Rest gegeben - selbst die Rechte hat scharfe Kritik geübt. Zwar waren von IWF und Weltbank begeisterte Glückwunschtelegramme für seinen Sparplan eingetroffen. Das ungeliebte Argentinien, das seit vierzehn Monaten mit den Zinszahlungen in Verzug ist, ist schließlich auf dem besten Weg, zu Washingtons Musterschüler zu werden noch vor Chile. Im eigenen Land hingegen war der drastische Sparplan mit der Privatisierung defizitärer Staatsunternehmen und den Preiserhöhungen bei den Strom- und Wassertarifen nicht nur bei den Gewerkschaften auf Kritik gestoßen. Den Neoliberalen von der ultrarechten UCeDe und den Unternehmern gehen seine Maßnahmen nicht weit genug. „Das reicht nicht“, schimpfte die Zeitschrift 'Somos‘ auf dem Titelblatt. Der Roig-Plan sei alter Wein in neuen Schläuchen, urteilt die Rechte - dieselben Maßnahmen habe Alfonsin Mitte '85 mit seinem gescheiterten Australplan ergriffen. Der Dollar und die Preise - so fordert die Rechte - sollten bedingungslos freigegeben werden.

Dabei war das Einfrieren der Preise - weil vorher angekündigt - rechtzeitig durch massive Erhöhungen umgangen worden. Die Tarife für öffentliche Dienstleistungen waren bis zu 500% in die Höhe geschnellt, das Brot von 160 Australes auf 400 gestiegen. Die Lebensmittel sind trotz oder wegen - der Festschreibung in den letzten 14 Tagen um 105% teurer geworden. Auch der Dollar ist inzwischen wieder auf seinem unaufhaltsamen Höhenflug: der Schwarzmarktkurs ist bei 720 Australes angekommen. Wenn man den Gerüchten in Buenos Aires Glauben schenkt, soll er in den nächsten Tagen sogar auf 1.000 Australes klettern, um einer neuen Währung Platz zu machen. Beim „Federal“, der ein Dollar wert sein soll, würden einfach drei Nullen der alten Australes-Währung gestrichen werden. Die Preiserhöhungen gehen ununterbrochen weiter, obwohl Roig kurz vor seinem Tod mit den 500 führenden Unternehmen ein Abkommen über Preis-Stop erzielt aber noch nicht unterzeichnet hatte. Die Firmen sitzen auf einem satten Polster und können sich darauf freuen, daß der Arbeitsminister Lohnverhandlungen drei Monate lang aussetzen will.

Auch die Zentralbank soll nach dem Willen der peronistischen Regierung innerhalb der nächsten Wochen eine neue gesetzliche Grundlage erhalten. Nach chilenischem Vorbild, wo das Zentralbankgesetz kurz vor der Verabschiedung steht, soll die argentinische Zentralbank in ein „autonomes Unternehmen“ verwandelt werden, das nicht mehr weisungsgebunden ist und unabhängig der jeweiligen Regierung über Geldmenge und damit über Zinssätze, Investitionen, Verschuldung und Inflation entscheiden kann.

Auf die Kritik, daß die neue Wirtschaftspolitik zu weiteren Hungerrevolten führen wird, haben die Monopole mit der „Stiftung Aktion für die Privatinitiative“, AIP, gekontert. Auf Anstoß der mächtigen Industriekapitäne der Holding Bunge und Born, Citibank und IBM fällt in den nächsten Tagen der Startschuß für eine Spendenkampagne, mit der 30 Millionen Dollar bei der Industrie gesammelt werden sollen. Die zwei Millionen „bedürftigen“ Argentinier - die offiziellen Zahlen gehen von vier Millionen aus - sollen mit 3.000 Australes bedacht werden, etwa vier Dollar monatlich. Um den Armen „die Würde der Arbeit wiederzuschenken“, so die AIP -Initiatoren, wolle man ihnen keine Almosen schenken, sondern sie dafür wie im Nachbarland Chile gemeinnützige Arbeit verrichten lassen: Straßen kehren und Kranke pflegen.

Den Nachfolger für den verstorbenen Roig suchte Menem nicht in seiner Partei, denn der Posten des Wirtschaftsministers scheint fest in der Hand des Multis Bunge und Born zu sein: die Holding schickte wenige Stunden nach dem Ableben ihres früheren Direktoriumsmitglieds Roig ihren derzeitigen Vizepräsidenten ins Rennen: Nestor Rapanelli (60). Staatspräsident Carlos Menem und der neue Minister versicherten, daß an der unmittelbar im Anschluß an den Machtwechsel eingeleiteten wirtschaftlichen Stabilitätspolitik nichts geändert werde. „Wir werden mit dem gleichen Plan fortfahren. Ich bitte die Bevölkerung um Verständnis, Ruhe und Geduld“, erklärte Menem. Der neue Minister wird in den kommenden Tagen die Verhandlungen seines Vorgängers fortsetzen, um mit den Unternehmern inflationssichere Preisabsprachen zu erreichen und in naher Zukunft auch einen Sozialpakt abzuschließen. In Buenos Aires wird in den kommenden Tagen eine Delegation des Weltwährungsfonds erwartet, um sich im Detail über die eingeleiteten Wirtschaftsmaßnahmen zu informieren und über die Konditionen für einen Überbrückungskredit zu verhandeln.