: Ja zu Europa - Nein zur EG
Für Österreichs Grüne wäre der anvisierte Beitritt ein Rückschritt ■ G A S T K O M M E N T A R
Die österreichische Regierung hat gestern dem französischen Außenminister als neuem Ratsvorsitzenden das Ansuchen um Aufnahme Österreichs in die EG übergeben. Das Mandat dazu erhielt sie im Parlament von SPÖ, ÖVP und FPÖ gegen die Stimmen der Grünen - mit überwältigender Mehrheit also. Dieses Abstimmungsergebnis spiegelt jedoch keineswegs das Meinungsbild in der Bevölkerung. Derzeit stehen mit weiter wachsender Tendenz über 40 Prozent der ÖsterreicherInnen dem EG-Beitritt skeptisch bis ablehnend gegenüber. Die Gegner des „Anschlusses“ sind mit ihren Argumenten gegen eine monatelange Regierungspropaganda also wesentlich erfolgreicher gewesen, als dies der Nationalrat wahrhaben will. Eine Volksabstimmung hätte bereits heute einen ungewissen Ausgang. Denn die Argumente der Gegner gewinnen an öffentlichem Gewicht:
So steht die immerwährende Neutralität Österreichs in unüberbrückbarem Widerspruch zu der, in der Europäischen Akte vorgeschriebenen, „sicherheitspolitischen Zusammenarbeit“ zum Ziele einer „außenpolitischen Identität“ aller Mitgliedsstaaten, ganz zu scheigen von der Unvereinbarkeit mit den immer unverhohlener zur Schau getragenen Weltmachtplänen einer „Europäischen Union“.
Österreich hat sich spät und mit ungeheuren Rückschlägen die Demokratie erobert. Der Föderalismus, also die Selbstverwaltungsrechte von Ländern und Gemeinden, ist heute ein zentrales Verfassungsgut. In dieser noch immer fragilen Demokratietradition Souveränitätsrechte an die EG abzugeben, in der seit 200 Jahren gültige demokratische Prinzipien wie die Gewaltentrennung oder die direkte Wahl der legislativen Macht mißachtet werden, würde einen gewaltigen politischen Rückschritt Österreichs bedeuten.
Außerdem widerspricht das Ziel der Euratom, eine „mächtige Atomindustrie“ zu schaffen, dem österreichischen Volksentscheid gegen Atomkraftwerke und dem darauffolgenden Atomsperrgesetz.
Auch das EG-Binnenmarktkonzept, mit industriellem Wachstum durch Deregulierung (zum Beispiel schrankenlosen Transitverkehr), neue Technologien (wie die Gentechnologie), industrielle Landwirtschaft und durch einen neuen Kolonialismus (Futtermittelanbau in der Dritten Welt) eine beherrschende Stellung am Weltmarkt zu erringen, widerspricht den mühsam errungenen Ansätzen einer österreichischen Umwelt- und Landwirtschaftspolitik und gefährdet die sozialen Rechte.
Und: Die EG ist nicht ein gesamteuropäisches Integrationsinstrument, sondern bedeutet vielmehr die endgültige Spaltung Europas.
Diese Argumente werden auch von vielen Kritikern innerhalb der EG geteilt, zum Beispiel von den deutschen Grünen. Trotzdem werden unter ihnen immer wieder Stimmen laut, die einen Beitritt Österreichs begrüßen würden. Sie verbinden damit offenbar die Hoffnung, daß durch die Stärkung der antimilitaristischen, umweltorientierten, sozialen und demokratischen Kräfte eine Änderung der EG-Konzeption aussichtsreicher werden würde. Dies verkennt nach meiner Überzeugung zwei wesentliche politische Fakten: Die treibenden Kräfte eines EG-Beitritts in Österreich (vor allem aus der Industrie) wollen mitnichten eine andere EG. Sie sind sogar (was sich belegen läßt) bereit, die österreichische Neutralität schleichend umzuinterpretieren, den demokratischen, sozialen und umweltpolitischen Standard bewußt aufs Spiel zu setzen, um genau an jenem Binnenmarkt zu partizipieren, wie er geplant ist.
Darüber hinaus hätte Österreich aber auch auf eine Änderung der EG-Konzeption außerhalb der EG wesentlich mehr Einfluß denn als Mitglied. Die in letzter Zeit so virulent gewordene Problematik des ungehinderten Lkw-Transitverkehrs, von der EG als „unabdingbare Voraussetzung zum Zustandekommen des Binnenmarktes“ bezeichnet, zeigt dies, als Beispiel unter vielen, besonders deutlich. Eine umweltpolitisch bestimmte Verkehrspolitik Österreichs macht den EG-Wachstumsfanatikern mehr zu schaffen, als dies ein EG-Mitglied Österreich jemals könnte.
Zum Glück haben sich diese Einsichten alle europäischen Grünen inzwischen offiziell zu eigen gemacht. Über die politischen Ziele der grünen Umwelt-, Demokratie- und Sozialbewegung gegenüber der EG herrrscht Einigkeit. Die Wege zu einem anderen Eurpa aber sind verschiedene.
Johannes Voggenhuber, Bundesgeschäftsführer der österreichischen Grüne
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