piwik no script img

Killerpflanze am Spielplatzrand

■ Kreuzberger Gartenbauamt pflanzte hochgiftige Wunderbäume direkt neben einen Spielplatz am Chamissoplatz / Tödliche Dosis für Kinder: Sechs Samen

80 kleine Wunderbäume pflanzten die Gärtner des Kreuzberger Gartenbauamtes am Montag in die Blumenbeete rund um den neuen Spielplatz auf dem Chamissoplatz. Heute werden die Gärtner die etwa einen Meter großen Stauden wieder herausreißen. Der Grund: Die Samen der Wunderbäume sind extrem giftig. Sechs Stück reichen aus, um ein Kind vom Leben in den Tod zu befördern. Der Bauleiter des Gartenbauamtes, Adalbert Klees, sagte gestern zur taz: „Da ist uns ein Fehler passiert.“

Dem gelernten Gärtner Joachim Spanier waren die Wunderbäume (lateinisch: ricinus communis) am Montag abend auf dem Heimweg aufgefallen: Etwa ein Meter hohe Stauden mit neunfingrigen Blättern und rot-grün gefärbten, stachligen Früchten, gefüllt mit je drei bohnengroßen Samen.

Ein Blick in sein Handbuch bestätigte Spaniers Verdacht: Die Rizinuspflanzen, die er neben dem Spielplatz entdeckt hatte, zählen zur Klasse der „sehr stark giftigen“ Gewächse. Wer die Samen ißt, muß mit blutigem Erbrechen, blutigem Durchfall, mit Nierenentzündung, Leberschäden und zuletzt mit einem Kreislaufkollaps rechnen, bei entsprechender Menge auch mit dem Tod.

Spanier informierte gestern die taz. Die taz-Anfrage im Gartenbauamt alarmierte Bauleiter Klees. Er ordnete an, die Wunderbäume wieder zu entfernen. „Giftige Pflanzen“, so Klees, „dürfen natürlich nicht im direkten Umfeld eines Spielplatzes gepflanzt werden.“ Eigentlich, das räumt der Bauleiter ein, hätten das auch die Gärtner wissen müssen. Baustadträtin Franziska Eichstädt konnte zu dem Mißgriff gestern nichts sagen, fand es aber „toll“, daß die Pflanzen nun rasch und „unbürokratisch“ wieder entfernt werden.

Den neu gestalteten Spielplatz mit Klettergerüsten aus Holz und einer Matschpumpe hatte das Bezirksamt vor einem Monat wieder eröffnet. Anwohnerin Angelika Thiekötter, die mit Sohn Paul auf dem Arm gestern am Spielplatz vorbeikam: „Seit der neue Spielplatz eröffnet wurde, sind hier bei schönem Wetter viele Kinder. Der Platz wurde sehr gut angenommen.“ Um so weniger versteht es die Anwohnerin, daß die Gärtner des Bezirks bei der Bepflanzung der Beete so daneben gegriffen haben.

Heute soll der für eine Million Mark umgestaltete Chamissoplatz den Kreuzbergern übergeben werden. Die Bauzäune, die die nördliche Hälfte des Platzes gestern noch absperrten, verschwinden. Die Wunderbäume werden nun wieder in der Bezirksgärtnerei am Viktoriapark angepflanzt und später an anderer Stelle verwendet. Außer in Spielplatznähe ist es durchaus üblich, Parkanlagen mit giftigen Gewächsen zu schmücken, zum Beispiel Goldregen oder Eiben.

Der Wunderbaum, in Europa nur Zierpflanze, wird in Brasilien, Indien und China in großem Stil als Nutzpflanze angebaut. Aus den Samen der in ihren Heimatländern bis zu zehn Meter hohen Bäume wird das Rizinusöl gewonnen. Das gefährliche Gift Rizin wird dabei allerdings vorher ausgeschieden.

hmt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen