: Virusträger raus aus dem Knast
■ Hungerstreik HIV-positiver Gefangener
Wir sind eine Selbsthilfegruppe HIV-positiver Gefangener hier in der südhessischen JVA in Darmstadt. Weil wir es endgültig satt haben, wollen zumindestens einige von uns einen gemeinsamen Hungerstreik ab dem 28.6.89 beginnen. Wir wollen dadurch auf unsere miserable Situation hier in der Anstalt aufmerksam machen. Einhellig sind wir eigentlich alle der Meinung, daß Virusträger überhaupt nicht in den Knast gehören. In Anbetracht der besonderen Situation und der nach heutigen wissenschaftlichen Erkenntnissen geringen Lebenserwartung kommt eine langjährige Haftstrafe bei einem Infizierten einem Todesurteil gleich. Keiner von uns hier weiß, wie lange er in Freiheit dann noch leben wird oder ob er nicht schon hier massiv erkrankt. Einige von uns befinden sich schon im zweiten Stadium der Krankheit.
Unsere Hauptforderung lautet deshalb, Virusträger raus aus dem Knast. Zumindest aber wollen wir Haftverbesserungen für die HIV-Positiven erreichen. Vielleicht einmal einiges zu den Bedingungen hier. Fachärztliche Betreuung erhalten wir hier überhaupt keine, vielmehr ist es so, daß der Vollzugsarzt auch für die Virusträger zuständig ist. Er kann uns zwar zu Fachärzten überweisen, was er aber in der Regel nicht macht.
In den fast zwei Jahren, in denen ich hier einsitze, ist dies bisher vom Anstaltsarzt noch nie veranlaßt worden. Lediglich eine Vertretung von draußen hatte veranlaßt, daß wir zum Teil (bei solchen Leuten, die zum Beispiel schon Hautveränderungen hatten) in der Uni Frankfurt untersucht wurden. Auch habe ich bei dem vertretenden Arzt erstmals eine Kontrolle über meine Immunwerte durchführen können. Der sehr engagierte junge Arzt veranlaßte sofort für jeden Virusträger eine Blutabnahme für entsprechende Tests zur Feststellung der noch vorhandenen Abwehrkörper. Was eigentlich selbstverständlich wäre, wurde bisher nur von dem den regulären Anstaltsarzt vertretenden Arzt durchgeführt. Seit der Anstaltsarzt wieder hier ist, wird wieder überhaupt nichts unternommen.
Deshalb fordern wir beim hessischen Justizministerium auch bessere ärztliche Betreuung für die HIV-Positiven in den Anstalten, externe Betreuung durch Sozialarbeiter draußen, die nicht dem Ministerium verpflichtet sind. Vor allem darf kein Anstaltsarzt darüber entscheiden, wann wir Fachärzten vorgeführt werden sollen oder nicht. Vielmehr müßten wir wöchentlich einen Facharzt konsultieren können. Ferner sollten wenigstens zweimal im Jahr Untersuchungen durchgeführt werden betreffs unseres Immunstatus. Vorzeitige Entlassungen auch auf dem Gnadenwege sollten die Regel und keine Ausnahme bei HIV-Infizierten sein.
Selbsthilfegruppe c/o Roland Zahn, Darmstadt
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