: Karl-Heinz Hoffmann kommt frei
■ Der Begründer und Chef der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ war der Durchlauferhitzer der Neonazi-Szene / Haftverschonung nach Verbüßen von zwei Dritteln der Strafe
Am 12. September 1984 sprach die 3. Strafkammer des Nürnberger Schwurgerichts den damals 46jährigen Karl-Heinz Hoffmann vom Vorwurf des Doppelmordes frei. Laut Anklageschrift sollte der Führer der „Wehrsportgruppe Hoffmann“ den jüdischen Verleger Shlomo Levin und dessen Lebensgefährtin Frieda Poeschke in Erlangen in der Nacht vom 19. Dezember 1980 ermordet haben. Mit 186 Verhandlungstagen, 109 Zeugen und 28 Sachverständigen war das Hoffmann -Verfahren zwar das bislang längste und aufwendigste Verfahren in der Nürnberger Justizgeschichte, doch schlampige polizeiliche Ermittlungen hatten die Anklage von Anfang an in Beweisnöte gebracht.
Die am Tatort gefundene Sonnenbrille von Hoffmanns mitangeklagter Freundin Franziska Birkmann ließ die Fahnder erst nach fünf Wochen auf die Idee kommen, einmal in Hoffmanns Domizil, nur 14 Kilometer vom Tatort entfernt, vorbeizuschauen. Doch zu diesem Zeitpunkt waren alle Spuren beseitigt. Hoffmann hatte dem mutmaßlichen Täter, dem Wehrsportgruppen-Mitglied Uwe Behrendt, zur Flucht verholfen. Behrendt, der im Sommer 1981 im Libanon Selbstmord begangen hat, soll die Tat ohne Auftrag und ganz allein begangen haben.
Seit Gründung der Wehrsportgruppe (WSG) 1973 gab es nur halbherzige Versuche von seiten der Gerichte, dem Treiben des Graphikers, der selbst vom Polizeipräsidium Mittelfranken geschäftliche Aufträge erhalten hatte, ein Ende zu bereiten. Ungefährdet konnte Hoffmann Wehrübungen in den Wäldern um Nürnberg abhalten, Zweigstellen in Bayern und Hessen eröffnen, sein Kontaktnetz zur nationalen und internationalen rechtsextremen Szene ausbauen. Reiche Freunde, wie z.B. der Verleger der 'Nationalzeitung‘, Dr. Frey, beglichen die fälligen Geldbußen wegen Verstößen gegen das Versammlungsgesetz. Schon im April 1979 kann der Verfassungsschutz-Mann Werner Gottwald alias „Reiser“ seinem Amt melden, „fast alle NSDAP-Leute haben bereits bei Hoffmann an Lehrgängen teilgenommen“. Er schätzte die Zahl der Aktivisten auf 250. Sowohl der Oktoberfest-Attentäter Gundolf Köhler als auch der rechte Topterrorist Odfried Hepp oder der ehemalige Kühnen-Mitstreiter Arndt-Heinz Marx gehörten zur Truppe Hoffmanns.
Nach dem Verbot der WSG im Januar 1980 verlagert Hoffmann seine Aktivitäten in den Libanon und organisiert in PLO -Lagern seine Übungen. Das Trainingslager entwickelt sich für alle Beteiligten mit zunehmender Dauer zur sadistischen Hölle. Am 16. Juni 1981 schließlich wird Hoffmann auf dem Frankfurter Flughafen festgenommen, nachdem drei seiner Anhänger beim Bundeskriminalamt ausgepackt hatten.
Hoffmann wurde wegen einer Vielzahl von Delikten wie Geldfälschung, Freiheitsberaubung, Nötigung und gefährliche Körperverletzung zu neun Jahren und sechs Monaten verurteilt - wegen Mordes jedoch nicht. Die Staatsanwaltschaft hatte lebenslänglich beantragt. Wegen „ungünstiger Sozialprognose“ - so ist der Verbleib bestimmter Waffen bis heute nicht geklärt - lehnte die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht in Bayreuth im April dieses Jahres die Aussetzung der Reststrafe auf Bewährung ab. Jetzt hatte Hoffmann beim Oberlandesgericht Erfolg.
Bernd Siegler
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