Schon lange vor Rot-Grün beschlossen

■ Die Entscheidung des Stifterverbandes der Deutschen Wissenschaft, die Trägerschaft der renommierten Dahlem-Konferenzen aufzukündigen, wurde bereits vor drei Jahren getroffen / Freie Universität als neuer Träger der Konferenzen vorgesehen

Zum Jahresende hat der Stifterverband der Deutschen Wissenschaft die Trägerschaft der Dahlem-Konferenzen gekündigt, die er seit 1974 finanziell gefördert hat. Dieser Schritt des Stifterverbandes, ein Zusammenschluß von etwa 5.000 Industriellen, die mit ihren Spenden jährlich etwa 100 Millionen Mark aufbringen, nährte zunächst Spekulationen, dies sei eine Reaktion auf die vom AL/SPD-Senat verfügte Kündigung der Akademie der Wissenschaften. Tatsächlich aber hatte der Stifterverband die Kündigung der eigentlich nur als Anschubfinanzierung für maximal fünf Jahre projektierten Trägerschaft aber schon vor drei Jahren beschlossen, zu einem Zeitpunkt also, als niemand an Rot-Grün zu denken wagte. Bereits Ex-Wissenschaftssenator Turner war bemüht, einen neuen Träger zu finden. Er wollte sie der Akademie der Wissenschaft angliedern. Nun scheint nach Aussage der Wissenschaftsverwaltung ein neuer Träger gefunden zu sein: die FU.

Die Dahlem-Konferenzen veranstalten pro Jahr vier Tagungen hauptsächlich, aber nicht nur, zu medizinisch-biologischen Themen. Ihr Renommee verdankt die Institution dem ungewöhnlichen Strickmuster, das sich von herkömmlichen Tagungen und Kongressen positiv abhebt. Radikal gestrichen hat die Gründerin und Leiterin der Dahlem-Konferenzen, Silke Bernhard, aufgrund langjähriger frustrierender Kongreßerfahrungen, einschläfernde Vorträge mit anschließender selbstgerechter Fragerei, bei der der Frager meist nur sein eigenes Wissen demonstrieren will. Statt dessen werden im Vorfeld der Dahlemer Treffen Diskussionspapiere und neueste Forschungsergebnisse an die etwa 50 TeilnehmerInnen verteilt. In Berlin eingetroffen, kann man - selten frau - dann ohne Vorgeplänkel gleich zur Sache kommen. Unumstritten sind die Dahlem-Konferenzen aber trotzdem nicht. Die Wissenschaftler, zum größten Teil aus den USA und oft Stammgäste in Dahlem, wie ein Blick in die Teilnehmerverzeichnisse verrät, repräsentieren vor allem die etablierte Wissenschaft der westlichen Industrienationen, was dann leicht zu einer Art Wissenschaftsimperialismus führt. (So zerbrachen sich beispielsweise fast ausschließlich Wissenschaftler aus den Industrienationen den Kopf über die Verwendung der endlichen Rohstoffe dieser Welt wie Rohöl, Eisen oder Kupfer. Die Sichtweise von Kollegen aus Ländern der Dritten Welt, in denen sich der größte Teil dieser Ressourcen befindet, schien nicht gefragt.)

Nachdem sich die ersten Wogen der Erregung über die Kündigung des Stifterverbands geglättet haben, zeichnet sich jetzt ab, daß die Existenz der Dahlem-Konferenzen nicht gefährdet ist. Der Senat, der auch bisher bereits jährlich 900.000 Mark des Etats von 1,4 Millionen Mark trug, hat zugesagt, seinen Anteil für zunächst fünf Jahre auf eine Million Mark aufzustocken. Zwar will FU-Präsident Heckelmann, an dessen Hochschule die Dahlem-Konferenzen nach Überlegungen aus dem Wissenschaftssenat als An-Institut angegliedert werden sollen, keine finanziellen Beiträge leisten. Darüber wird er sich aber noch mit Wissenschaftsstaatssekretär Kremendahl einigen müssen, nach dessen Vorstellungen darüber noch nicht das letzte Wort gesprochen wurde. Auch bisherige Finanziers wie die Deutsche Forschungsgemeinschaft und einzelne Wirtschaftsunternehmen wollen in Zukunft weiterhin ihr Schärflein beitragen. Das tatsächliche Problem scheint denn auch eher ein internes zu sein. So weigerte sich Silke Bernhard bisher hartnäckig, die Dahlem-Konferenzen unter ein neues Dach zu bringen, was sie vor allem mit der Sorge um die Autonomie ihrer Einrichtung begründete. Aus gutinformierten Kreisen verlautete dagegen, der eigentliche Streitpunkt sei, daß potentielle Träger wie die jetzt aufgelöste Akademie der Wissenschaften den Arbeitsvertrag der 63jährigen Bernhard nicht übernehmen wollten. Der sieht nämlich ein fürstliches Jahresgehalt von über 200.000 Mark vor. Auch das sonstige Finanzgebahren ihrer Chefin wird von den MitarbeiterInnen mit Kopfschütteln registriert. So werden Konferenzteilnehmern schon mal teure Zwischenaufenthalte auf ihrem Weg nach Berlin finanziert oder ihre von der Polizei abgeschleppten Autos auf Tagungskosten ausgelöst. Auf der anderen Seite müssen die MitarbeiterInnen jetzt auf Anordnung von Bernhard ihre Arbeitszeit minutiös protokollieren, auch die Kekse für die Konferenzpausen sind gestrichen.

Die Universitäten sollen die Dahlem-Konferenzen künftig zusammen mit anderen Wissenschaftseinrichtungen in Form eines eingetragenen Vereins weiterführen, so ein mittlerweile erfolgter Vorschlag der Wissenschaftspolitiker Jürgen Wagner (SPD) und Hilde Schramm (AL). Dafür käme das Internationale Begegnungszentrum der Wissenschaft in der Wiesbadener Straße in Frage. Das Zentrum wird von den Hochschulen zusammen mit dem Hahn-Meitner-Institut, der Max -Planck-Gesellschaft, dem Wissenschaftszentrum Berlin und der BESSY-GmbH betrieben.

thol