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Senat beschloß Haushalt 1990

■ Schwerpunkte des Haushalts 1990 sind Verkehrspolitik, ökologischer Stadtumbau und Wohnungsbau Andere Ressorts mußten zurückstehen / Alternative Liste kritisierte die Gebührenerhöhung

Bis um drei Uhr morgens ging der Finanzsenator mit dem Klingelbeutel rum. Dann endlich hatte er die Senatoren und Senatorinnen zu den 205 Millionen Mark Einsparungen überredet. Nach zwölf Stunden Beratungen hat der Senat gestern den Haushaltsentwurf für 1990 beschlossen.

Insgesamt 25,304 Milliarden wird der Senat im Jahr 1990 ausgeben. Das sind 3,3 Prozent mehr als in diesem Jahr. Damit sei der Rahmen, den die Koalitionsvereinbarung vorsieht ausgeschöpft, sagte gestern Finanzsenator Meisner. Einen Nachtragshaushalt und eine weitere Verschuldung werde es mit ihm nicht geben. Insgesamt steigt die Nettoneuverschuldung 1990 auf 1,4 Milliarden.

Harte Kämpfe mußte der Finanzsenator insbesondere mit Wissenschaftssenatorin Riedmüller ausfechten. Die dachte nämlich gar nicht daran, den von allen Verwaltungen verlangten Obulus von drei Prozent - der zur Finanzierung der zusätzlichen, im Koalitionspapier vereinbarten, Projekte vorgesehen war - zu erbringen. (Siehe Hochschulseite). Am Ende waren jedoch alle mit der Schwerpunktsetzung auf Verkehrspolitik, ökologischen Stadtumbau und den Wohungsbau zufrieden. Den größten Brocken erhält Verkehrssenator Wagner für den U- und S-Bahn-Bau. Mit doppelt so viel wie der alte Senat, nämlich 340 Millionen wird er ausgestattet. 281 Millionen fließen in den Topf der Umweltsenatorin, elf Prozent mehr als bisher. Sie wird das zusätzliche Geld schwerpunktmäßig für die Bodensanierung, für Arbeiten am Flächennutzungsplan und für die Umweltforschung ausgeben. Mit 2,505 Mrd. sollen die 7.000 Wohnungen, die der Bausenator für 1990 anvisiert hat, gebaut werden. Allein für die Sanierung der Asbest-verseuchten Bildungszentren und Schulen wird der Finanzsenator in den nächsten Jahren 1,5 Mrd. aufbringen müssen. Mit den ersten 213,3 Millionen, die er für 1990 vorgesehen hat, sollen Schuldörfer gebaut werden. Eine bislang nicht genau kalkulierbare Größe stellen die Aus- und Übersiedler dar. 100 Millionen Mark je 10.000 Übersiedler rechnet der Finanzsenator. Eher mager fällt die Ausstattung des Programms Arbeit und Umwelt aus. Das im Koalitionspapier mit 100 Millionen bestückte Programm zur Schaffung neuer Arbeitsplätze bekommt nur 60 Millionen. Wie das Geld verwendet wird, ist bislang unklar. Die Kommission unter Federführung des Regierenden Bürgermeisters hat bislang keine Ergebnisse vorlegen können. Viel Geld bekommt Frauensenatorin Anne Klein für die Frauenforschung. Im Haushalt für 1990 stehen drei Millionen und Kultursenatorin Martiny ist „zufrieden“. Sie kann im neuen Jahr den Bezirken die verprochenen 43 Stellen für die dezentrale Kulturarbeit zur Verfügung stellen. 7,5 Millionen gehen an freie Gruppen. Aber, wie alle Verwaltungen, mußte sie sich auch Gedanken darüber machen, wo sie mehr Geld einnehmen kann. Um etwa zehn Prozent will sie deshalb demnächst die Eintrittspreise für die Theater und Konzertsäle erhöhen. Und Umweltsenatorin Schreyer macht das Wasser teurer. Ab 1. Januar wird der Kubikmeter statt bisher eine Mark, dann 1,27 kosten. 50 Millionen kommen dadurch in die Kasse, weitere 50 Millionen durch andere Gebührenerhöhungen.

So manche Begehrlichkeit allerdings blieb unerfüllt. Der Wunsch der Schulsenatorin auf 160 neue Lehrerstellen für 1990 zum Beispiel wurde um die Hälfte gekappt. „Wir haben überall gestrichen“, sagte gestern Finanzsenator Meisner, „und ich bin mit gutem Beispiel vorangegangen.“

Die Alternative Liste kritisiert gestern die Gebührenerhöhungen als „sozial nicht ausgewogen“. Sie belasteten einseitig die Bürger. Jetzt räche sich, daß die SPD während der Koalitionsverhandlungen keine Erhöhung der Gewerkbesteuer zugelassen habe. Die CDU warf dem Senat vor, Bundesmittel und Steuergelder verschwenderisch auszugeben. Mit der „Rekordhöhe“ der Nettoneuverschuldung treibe der Senat seine „ungehemmte Schuldenpolitik“ auf die Spitze.

bf

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