: Samen und Eier - gesetzlich geschützt?
■ Gestern verabschiedete das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf zur Reproduktionsmedizin
„Embryonenschutzgesetz“ nennt es das Bonner Justizministerium, doch es geht um die neuen Reproduktionstechnologien. Verabschiedet der Bundestag die Vorlage, dann hat die Bundesrepublik hier zwar künftig die restriktivsten Vorschriften Europas - die Forschung an Embryonen und die Erzeugung genetisch identischer Menschen wird verboten, ebenso wie die Leihmutterschaft. Andererseits werden der künstlichen Befruchtung praktisch keine Grenzen gesetzt. Bei Ehepartnern soll dafür die Krankenkasse zahlen. Die Grünen fordern dagegen den Ausstieg aus den Fortpflanzungstechnologien.
Die Bezeichnung ist Programm. Fortpflanzungsmedizin, Reproduktionsmethoden, Gentechnologie - darum scheint es der Bundesregierung nicht zu gehen: „Embryonenschutzgesetz“ heißt der Entwurf, den das Kabinett gestern verabschiedete. Und „Schutzgut kann, ich sage es immer wieder, kann nur das Wohl des Kindes sein“, versichert auch ein Sprecher des Justizministeriums auf die Frage der taz nach dem Sinn der Regelung.
In der Tat: Vor einer immer unberechenbareren Reproduktionstechnik, vor dem Schreckensgespenst des gezüchteten „Menschen nach Maß“ schützt dieser Entwurf jedenfalls nicht. Zwar wird ganz allgemein „jede auch nur in Ansätzen auf eine Züchtung des vermeintlich besseren und vollkommeneren Menschen hinauslaufende Maßnahme“ verboten. Gemeint ist damit insbesondere der Gentransfer in menschliche Keimbahnzellen. Ausgenommen wird aber unter anderem die künstliche Veränderung der Erbinformation an einer außerhalb des Körpers befindlichen Keimzelle.
Die Forschung an sogenannten überzähligen Embryonen, die künstlich erzeugt wurden, um eventuell später bei der Mutter eingesetzt zu werden, verbietet dieser Entwurf zwar ganz; Ärzten und Forschern wird es jedoch auch in Zukunft nicht schwer fallen, weiter an den „überzähligen“ Embryonen zu manipulieren, die heute schon zuhauf in den Krankenhäusern produziert werden. Das Gesetz untersagt nämlich nur „die extrakorporale Befruchtung einer größeren Anzahl menschlicher Eizellen, als für einen einmaligen Embryonentransfer auf die zur Austragung bereite Frau benötigt werden.“
Wieviele das sind, darauf legt sich der Entwurf nicht fest, und auch der Sprecher des Justizministeriums mag nicht mehr sagen als „so in etwa drei bis fünf“. Außerdem sieht er in weiter Ferne schon die Möglichkeit, Ausnahmen von diesem strikten Verbot zuzulassen: Wenn nämlich irgendwann absehbar sei, daß Forschung an Embryonen so wichtige medizinische Ergebnisse zur Folge hätte, „die uns sagen lassen könnten, lieber Tausenden von Menschen das Leben retten, als die Embryonenforschung vollständig verbieten.“
Daß die sogenannte heterologe Insemination, die Samenspende eines Dritten (eines anderen Mannes als des Ehemannes also), überhaupt nicht geregelt wird, macht deutlich, daß sich im jahrelangen Gerangel um diesen Entwurf die FDP in einem wichtigen Punkt durchgesetzt hat. Wollten die meisten Unionspolitiker nur die homologe Insemination - die künstliche Befruchtung mit dem Samen des Ehemannes zulassen, schien den Liberalen das Kriterium Trauschein unsinnig. Gestützt wurden sie bei ihrem Drängen, die heterologe Insemination zu erlauben, von den Standesorganisationen der Ärzte und Juristen. Zugute kam ihnen auch die herrschende Befürchtung, mit einem allzu restriktiven Gesetz auf dem internationalen Markt der Reproduktionstechnologie schlecht dazustehen.
Die Balance zwischen der christlich-konservativen Forderung nach einer strengen Regelung und dem Ansinnen der Liberalen, sich auch hier so fortschrittlich wie möglich zu präsentieren, hält die Bundesregierung nur mühsam: „Daß die heterologe Insemination in dem Entwurf nicht verboten wird, heißt ja nicht gleichzeitig, daß sie erlaubt ist“, sagt der Ministeriumssprecher. Genau dies heißt es aber doch. Das sehen auch Unionspolitiker so: Arbeitsminister Norbert Blüm hat vor einigen Tagen seinem Kabinettskollegen Engelhard in einem Brief vorgeworfen, beim Entwurf des Embryonenschutzgesetzes „wesentliche Fragen der künstlichen Befruchtung als Maßnahme zur Überwindung ungewollter Kinderlosigkeit nicht geregelt zu haben“.
Es könne, so Blüm weiter, die Folgerung abgeleitet werden, „was in dem Gesetzentwurf nicht unter Strafe gestellt werde, müsse folglich erlaubt werden“. Eine derartige pauschale Betrachtungsweise der vielschichtigen Tatbestände der künstlichen Befruchtung werde dieser „schwierigen Problematik“ in keiner Weise gerecht. Allerdings ist das Gesundheitsministerium nicht aus moralischen Fragen an einer Klärung so interessiert. Es geht um Geld: Nur die homologe Insemination soll zukünftig wieder von den Krankenkassen bezahlt werden.
Wer ja sagt zur In-vitro-Fertilisation, sagt auch ja zur Embryonenforschung. Macht man sich diesen einleuchtenden Ansatzpunkt zu eigen, muß sich auch die SPD den Vorwurf machen, mit ihrem jüngst in Bonn vorgestellten Entwurf für ein „Fortpflanzungsmedizingesetz“ ebenfalls ein Einfallstor für die Embryonenforschung zu bauen. Zwar will sie nur die künstliche Befruchtung innerhalb einer Ehe oder einer auf Dauer angelegten Partenerschaft gestatten. Auch ist ihre Verbotsregelung für Eingriffe in das Erbgut strenger gefaßt als die im Regierungsentwurf. Auch nach den SPD -Vorstellungen jedoch ist die außerhalb des Körpers stattfindende Befruchtung einer größeren Anzahl menschlicher Eizellen nicht verboten. Und den Mißbrauch von Embryonen zu Forschungszwecken könnte auch der Entwurf der Sozialdemokraten nicht verhindern.
Mit dem Regierungsentwurf müßten klerikal-konservative und fortschrittssüchtige Liberale eigentlich leben können. Wie bei der Debatte um den §218 ist Rechtssubjekt auch hier das eigenständige, von der Frau unabhängige „Leben“ des Embryos. Wie bei der Debatte um den §218 wird der Wille des Embryos zu leben vorausgesetzt, und hier wie dort entscheiden männliche „Experten“, was leben soll und was nicht. Wenn erst einmal künstlich befruchtet wird, wenn Embryonen erst einmal außerhalb des Körpers hergestellt werden können, dann steht der Forschung nur noch entgegen, daß sie sich beim Forschen nicht erwischen lassen darf.
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