Todesstrafe am Tatort stößt auf Widerstand

Bonner Pläne zur gesetzlichen Absicherung des vorsätzlichen Todesschusses sind heftig umstritten / Grünenabgeordneter: Instrumentarium für „Killer auf Befehl“ / Saarland nennt Schäubles Pläne „unmenschlich“ / Kritik auch von Polizeigewerkschaft  ■  Von Wolfgang Gast

Berlin (taz) - Bundesinnenminister Schäuble hat gestern Pläne der Bunderegierung bestätigt, nach denen für den „finalen Rettungsschuß“ eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden soll. In Bonn erklärte der Minister gestern, der entsprechende Gesetzentwurf solle nach einer Abstimmung unter den Koalitionsparteien voraussichtlich noch im August dem Bundeskabinett vorliegen. In der Vergangenheit hatten sich in der Koaltion die Liberalen gegen derartige Pläne gesperrt. Der gesetzliche Freibrief für den Schuß mit einer beabsichtigten Todesfolge soll nach dem Willen des Innenministers Schäuble auch Thema bei der Innenministerkonferenz im November werden.

Der CDU-Politiker räumte inzwischen ein, daß er mit seinem Vorstoß auch beabsichtige, doch noch zu einer einheitlichen Regelungen in den Polizeigesetzen der Länder zu kommen.

Der Düsseldorfer Innenminister Schnoor (SPD) hat bereits gestern heftigen Widerstand angekündigt. Nordrhein-Westfalen werde eine Verankerung des gezielten Todesschusses in das landeseigene Polizeigesetz strikt ablehnen und bei seiner Haltung auch nach einer entsprechenden Änderung des Bundesgesetzes bleiben. Auch in Niedersachsen, das als eines von drei Bundesländern den Musterentwurf in den Passagen zum vorsätzlichen Todesschuß übernommen hat, ist Schäubles Ansinnen auf heftige Kritik gestoßen. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Jürgen Trittin, warf der Bundesregierung vor, das rechtliche Instrumentarium für „Killer auf Befehl“ zu schaffen. Mit dem Entwurf werde ein Klima geschaffen, in dem die Schwelle zum Einsatz des gezielten Todesschusses erheblich herabgesetzt werde. Fast noch schlimmer sei, daß „in einer solchen Konzeption die sogenannte Nothilfe auch gegen den Willen des Opfers - der Geisel - befohlen werden kann“. Manfred Such, „kritischer Polizist“ und Bundetagsabgeordneter der Grünen, lehnte „sowohl die ausdrückliche Befugnis als auch die faktische Anwendung des gezielten Todesschusses grundsätzlich ab“. Für ihn ist Schäubles Vorlage lediglich ein „Signal an die Stammtische“.

Der saarländische Innenminister Friedel Läpple (SPD) nannte Schäubles Pläne kurz und bündig „unmenschlich“. Die Bedeutung einer Verankerung des Todesschusses in einem Bundesgesetz sei „gleich Null“. Eine besondere gesetzliche Regelung hat auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Däubler-Gmelin strikt abgelehnt. Sie hält die bestehenden Regelungen, die sich aus der Nothilfe im Strafrecht ableiten, für völlig ausreichend. Nicht der Todesschuß müsse diskutiert werden, sondern die Entwicklung von Waffensystemen, die Geiselnehmer vorübergehend außer Gefecht setzen könnten.

In Unionskreisen sind die Bonner Pläne dagegen „vorbehaltlos begrüßt“ worden. Fritz Wittmann, CSU-Mitglied und rechtspolitischer Unionssprecher: „Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ist eine gesetzliche Regelung um die Zulässigkeit des finalen Rettungsschusses notwendig“.

Einwände kamen gestern auch von seiten der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Deren stellvertretende Vorsitzende Ahlers meinte: Ein Schuß, der mit an Sicherheit grenzender Warscheinlichkeit tödlich wirke, „kann und darf nur nach der Werteordnung des Grundgesetzes dann geboten sein, wenn Leben gegen Leben steht“. Ein „finaler“ Todesschuß dürfe daher nicht - wie im Bonner Gesetzentwurf vorgesehen - abgegeben werden, „wenn nur die Gefahr einer Körperverletzung, zum Beispiel bei einer Geiselnahme, besteht“.