: Dev Yol-Mitglieder zum Tod verurteilt
Sieben Todesurteile, 39 mal lebenslänglich und Zeitstrafen für 346 Menschen in Massenprozeß in der Türkei ■ Aus Ankara Ömer Erzeren
Mit sieben Todesurteilen ist der Prozeß vor dem Militärgericht Ankara gegen Mitglieder der linken Organisation Dev Yol zu Ende gegangen. 39 Angeklagte wurden zu lebenslänglich verurteilt. Weitere 346 Personen wurden zu Haftstrafen von zwei bis zwanzig Jahren verurteilt. 177 Personen wurden freigesprochen. Das Verfahren gegen sieben Personen wurde eingestellt. Sie waren an den Folgen der Folter im Gefängnis gestorben. Wegen der Nichteinhaltung von Fristen und aus anderen Gründen wurden gegen die übrigen Angeklagten gestern keine Urteile gefällt.
Über 2.000 Personen waren nach dem Militärputsch 1980 in Zusammenhang mit den Verfahren verhaftet worden. Zu Anfang des Prozesses forderte der Militärstaatsanwalt für 185 Personen die Todesstrafe. Durch systematische Folter während der 90tägigen Haftzeit ohne richterlichen Haftbefehl wurden in den Monaten nach dem Putsch die Geständnisse erpreßt. Zuletzt waren in einem der größten Massenprozesse der Nachputsch-Ära ingesamt 723 Personen angeklagt. 49 Angeklagte befinden sich seit neun Jahren in Untersuchungshaft, zwei der inhaftierten Angeklagten konnten nicht am Prozeßtermin teilnehmen. Sie sind seit drei Jahren vom Verfahren ausgeschlossen.
Wegen Mitgliedschaft in einer „illegalen Organisation, die die verfassungsmäßige Ordnung stürzen will“, ist die Mehrzahl der Angeklagten gestern verurteilt worden. Die vor dem Militärputsch legale „Dev Yol“ hatte Ende der siebziger Jahre Widerstandskomitees gegen Übergriffe der Grauen Wölfe organisiert.
Das Militärgericht tagte in einem eigens für politische Prozesse errichteten Gebäude in der Ankaraer Militärkaserne Mamak. Das Gelände wurde von schwerbewaffneten Soldaten mit scharfgerichteten Schäferhunden abgeschirmt.
Kurz vor der Urteilsverkündung - innerhalb anderthalb Stunden verlasen Militärrichter die Namen von 723 Angeklagten und ihre Urteile - gab Oguzhan Müftüoglu, einer der Hauptangeklagten des Prozesses, eine Erklärung ab. „Das Urteil ist illegal, weil dieses Militärgericht illegal ist“, sagte er unter tosendem Beifall der Zuschauer. „Wir werden die Juntamörder zur Rechenschaft ziehen“, riefen Angeklagte und Zuschauer nach der Urteilsverkündung. Der Saal wurde unter Militäreinsatz geräumt. Ausführlicher Bericht folgt morgen
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen