: ENDSTATION MUSEUM
■ „Hopi und Kachina“ im Haus der Kulturen
Kachinas rennen und spielen Federball; sie schießen mit Pfeil und Bogen oder mahlen Mais; freßlustig schwingen sie die Löffel oder stehen starr unter der Last ihres Kopfputzes. Die Kachinas sind kleine von den Hopis geschnitzte Holzfiguren, bemalt, mit geometrischen Mustern verziert, mit Federn geschmückt. Generationen von Ethnologen können sich mit Aufzählung, Deutung und Klassifizierung der Figuren beschäftigen, und es scheint fraglich, ob ihre Rolle in den zum Teil geheimen Ritualen der Hopis nicht bald zur Gänze von ihrem Gewicht als Gegenstand der Wissenschaft, der Spekulation und der Rekonstruktion vergangener Kulte erdrückt wird. Regenbringer, Tiere, Pflanzen, Ungeheuer, Clowns, die all das treiben, was ein guter Hopi nicht tun darf, Wächter, Tänzer - die kleinen Figuren haben alle, oder hatten zumindest, Entsprechungen in den religiösen Ritualen und Masken-Tänzen der Hopis und in den alltäglichen Handlungen ihres traditionellen Lebens. Sie überlieferten Kulturtechniken und ein Bild von der Ordnung der Welt aus der Perspektive der Hopis. Doch ihre Bedeutungen waren nicht festgeschrieben, änderten sich schon von Dorf zu Dorf, Clan zu Clan; ihr Sinn aktualisierte sich jeweils im Jahreszyklus der Rituale, solange diese noch lebendig waren. Das Alter und die Herkunft des Kachina-Kultes sind umstritten. Von bestimmten alten Figurengruppen heißt es nun, daß sie „ausgestorben seien“ wie eine lebendige Gattung; andere Figurentypen werden jetzt erst erfunden.
Einstmals waren die Kachinas mit ihren Geisterkräften beteiligt am Gleichgewicht der Natur, sorgten für Balance und Harmonie; die kleinen Holzfiguren dienten nur als eine visuelle Erinnerung an die Präsenz ihrer Mächte. Aber je mehr die Grundlagen für das Fortführen der Traditionen zerstört werden, je mehr der Raubbau an den Rohstoffen (Kohle und Uran) im Hopiland ein Überleben mit ihren einfachen landwirtschaftlichen Techniken unmöglich macht, desto mehr verlieren die Kachinas an Macht. Die wirtschaftlichen Interessen der Weißen lassen den Kachinas keinen Spielraum, sie graben ihnen tatsächlich das (Grund -)Wasser ab, zerstören das Gleichgewicht der Elemente, verhindern den notwendigen Fluß der Energien. Von den Geistern bleibt nichts übrig als jene kleinen Holzfiguren, die jetzt in den Vitrinen von Museen und privaten Sammlern eine nicht mehr existente Kultur dokumentieren.
Doch vom Gegenstand des Kultes haben sich die kleinen Skulpturen zu einem beliebten Souvenir für den mythoshungrigen Touristen und für den Kunstkenner zum Zeugnis elementarer Gestaltungskraft entwickelt. Von der Religion zum Erwerbszweig: die bescheidene Kunsthandwerksindustrie der Kachina-Schnitzer muß für die Hopis schon als eine der wenigen Arbeitsmöglichkeiten angesehen werden, die noch die Anknüpfung an ihre traditionelle Kultur erlaubt und zugleich ein Einkommen verspricht. Der Rohstoff für die kleinen Figuren, ein leichtes Holz, wird inzwischen sogar importiert.
Für den Europäer mit seiner Sehnsucht nach einer Einheit von ästhetischer Gestalt und spiritueller Bedeutung stellen die Kachina-Figuren ein Ideal dar, wie es in der eigenen Kultur kaum noch realisiert werden kann. Man findet diese Figuren noch rein und unbefleckt von jeglichem ideologischen Mißbrauch, während die Symbole unserer Kultur schon alle durch die Geschichte belastet und ausgelaugt sind. Doch die Beschäftigung mit der Hopi-Kultur ist oft nicht frei vom Beigeschmack einer Bußübung und einer Flucht aus der eigenen Realität.
Katrin Bettina Müller
„Hopi und Kachina“ bis zum 29.Juli im Haus der Kulturen der Welt.
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