: Vertretung in Ostberlin bleibt offen
■ Bundesregierung dementiert wachsende Anzahl von Ausreisewilligen / Ungarn vermerkt Fluchtversuche im DDR-Paß / Geschnappte Flüchtlinge werden nicht mehr ausgeliefert
Bonn/Berlin (ap) - Die Bundesregierung hat Berichte dementiert, die Ständige Vertretung in Ostberlin solle wegen massenhaften Andrangs von DDR-Bürgern kurzfristig geschlossen werden. Der Leiter der Vertretung, Staatssekretär Franz Bertele, und Kanzleramtsminister Rudolf Seiters erklärten am Freitag übereinstimmend, es gebe auch keine dramatische Entwicklung bei der Zahl der Ausreisewilligen. Regierungssprecher Hans Klein fügte hinzu, auch die Schließung der Botschaft in Budapest sei „zu keinem Zeitpunkt erwogen“ worden.
Die 'Bild'-Zeitung hatte berichtet, die Vertretung der Bundesregierung in Ostberlin werde von einer bisher nicht gekannten Welle von Ausreisewilligen überrollt. Zeitweise seien die Empfangsräume im Haus an der Hannoverschen Straße so überfüllt gewesen, daß Bertele erwogen habe, die Vertretung zu schließen.
Seiters erklärte im Deutschlandfunk, eine „Schließung der Ständigen Vertretung stand und steht nicht zur Debatte“. Über viele humanitäre Fragen gebe es ständige Kontakte mit der DDR, über die er in der Öffentlichkeit nicht sprechen könne.
Regierungssprecher Klein berichtete, seit der weitgehenden Öffnung der ungarischen Grenze in Richtung Westen gebe es eine „bedeutende Reisebewegung“ von DDR-Bürgern in dieses Land. Nach seinen Angaben stempeln die ungarischen Behörden Fluchtwilligen, die sich über die grüne Grenze nach Österreich absetzen wollten und von Grenzposten aufgegriffen würden, offenbar einen Vermerk in den Paß. Dieser bringe die Betroffenen offensichtlich in Schwierigkeiten, wenn sie nach Hause zurückkehrten. Sie werden jedoch nicht mehr festgesetzt und an die DDR ausgeliefert. Einige von ihnen sollen sich nach Informationen aus Budapest in die dortige Bonner Botschaft geflüchtet haben, wo bislang insgesamt 60 bis 80 DDR-Bürger Zuflucht gesucht hätten.
Auch Außenamtssprecher Jürgen Chrobog bestätigte, daß verhinderte Flüchtlinge einen Stempel in den Paß bekämen, aber nicht mehr wie früher festgesetzt und in die DDR ausgeliefert würden. Das Auswärtige Amt halte in dieser Frage ständig Kontakt mit Ungarn.
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