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Sport als Flucht vor der Gewalt

■ Studie offenbart Zusammenhang zwischen sexuellem Mißbrauch und Leistungssport bei Frauen

Die Studie „Zwischen Turnschuh und Stöckelschuh“ von Birgitta Palzkill beleuchtet noch einen besonderen Aspekt, der im Zusammenhang mit Sport bisher kaum wahrgenommen wurde: sexuelle Gewalt. Die Autorin beschreibt, wie sie bei einigen Interviews förmlich darüber stolperte: „Die Selbstverständlichkeit der Ausgrenzung und Tabuisierung von sexueller Gewalt (...) machte mich blind für diesen offensichtlichen Zusammenhang.“ Im Verlauf der weiteren Interviews fragte sie daraufhin direkt nach Erfahrungen mit körperlicher und sexueller Gewalt.

Ebenso wie andere Frauen hatten auch die interviewten Leistungssportlerinnen die Schuldzuweisungen an das Opfer verinnerlicht, quälten sich also mit Schamgefühlen. Ein Auszug aus einem Interview: „Ich dachte halt auch, daß man sich als Frau ja auch nicht in solche Situationen begibt.“ Birgitta Palzkill beschreibt, wie extreme Ohnmacht und Rechtlosigkeit auf brutale direkt-körperliche Weise in der Vergewaltigung erfahren werden. Davor glaubten die meisten Frauen, „sich gegen den Angriff eines Mannes durchsetzen und die Vergewaltigung verhindern zu können“. Weitere Folge der Vergewaltigung sei somit auch ein zerstörtes Selbstbild.

Für die betroffenen Frauen gäbe es zwei Möglichkeiten der Reaktion. „Sie kann sich 'ergeben‘ und körperliche Schwäche als 'weibliches Schicksal‘ für sich annehmen oder sie kann versuchen, sich diesem Schicksal zu widersetzen. Ein möglicher Versuch hierzu liegt in dem verstärkten Bestreben, sich durch sportliches Training - insbesondere Krafttraining - der eigenen Kräfte zu vergewissern und sie zu vergrößern; speziell der Leistungssport bietet zudem die Möglichkeit, die körperliche Leistungsfähigkeit öffentlich anerkannt und bestätigt zu bekommen.“

Bei den interviewten Leistungssportlerinnen, die über solche Gewalterfahrungen berichteten, sei auffällig gewesen, daß diese den unbedingten Wunsch gehabt hätten, selbst stark und wehrhaft sein zu können. Eine Interviewte dazu: „Zur Körperlichkeit fällt mir noch ein, daß es für mich immer wichtig war, als Frau Kraft und Ausdauer zu haben; daß ich auch deshalb vielleicht so viel trainiert habe, unbewußt aus diesem Gedanken.“

Der Sport kann somit eine große Bedeutung für das Bestreben einer Frau erlangen, durch die Vergewaltigung in ihrer Persönlichkeit nicht völlig gebrochen zu werden. Frauen könnten jedenfalls versuchen, mit Hilfe des Sports, Ängste und Ohnmachtserfahrungen, die sie in unserer Gesellschaft durch Gewalt von Männern, ob ausgeübt oder nur angedroht, erleiden, zu meistern. Umgekehrt könne das Sporttreiben jedoch auch zu einer Flucht vor der Auseinandersetzung mit dem Trauma und seiner Überwindung werden. Es folge die psychische Abhängigkeit vom Sport, die Sucht.

Birgitta Palzkill, deren interviewte Frauen ungefähr zur Hälfte Erfahrungen mit sexueller Gewalt angaben, vermutet, „daß für eine nicht unbeträchtliche Zahl von Leistungssportlerinnen ein direkter Zusammenhang zwischen erfahrener sexueller Gewalt und dem unbedingten Willen zum Hochleistungssport besteht“. Auch wenn sexuelle Gewalt nicht in der extremen Form von Vergewaltigung erfahren wurde, seien Beziehungen zwischen der Angst vor sexueller Gewalt und dem Streben nach körperlicher Stärke anzunehmen.

Karin Figge

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