Deutsche Frage beunruhigt jetzt auch die DDR

■ 'Neues Deutschland‘: Bundesrepublik grenzt an DDR und nicht an Polen / Bonner Auswärtiges Amt veröffentlicht Adenauer-Notiz von 1951 an US-Außenminister Dean Acheson / Danach stelle Bundesregierung keine Ansprüche auf die Gebiete östlich der Oder-Neiße

Hamburg/Berlin (dpa/taz) - In den innenpolitischen Streit um eine schriftliche Anerkennung der Oder-Neiße-Linie als polnische Westgrenze durch den damaligen Bundeskanzler Konrad Adenauer hat sich nun auch die DDR eingeschaltet. Das SED-Zentralorgan 'Neues Deutschland‘ schreibt am Samstag, die Bundesrepublik grenze im Osten an die DDR und nicht an Polen. Andere Erklärungen, „mögen sie von Kanzlern der BRD, deren Verfassungsgericht oder sonstwem stammen, ändern nichts am völkerrechtlichen Tatbestand, verdeutlichen aber die politische Verfassung ihrer Autoren“.

Mit dieser Äußerung führt das SED-Organ allerdings haarscharf an der gegenwärtigen Diskussion vorbei, die sich an einer Grenzziehung eines möglichen wiedervereinigten Deutschlands und nicht der Bundesrepublik entzündet hat.

In der Auseinandersetzung um den Wahrheitsgehalt von Adenauer-Äußerungen zur Unumstößlichkeit der Oder-Neiße -Grenze hatte das Auswärtige Amt am Freitag eine Notiz veröffentlicht, in der Adenauer 1951 gegenüber US -Außenminister Dean Acheson festgestellt habe, die Bundesregierung stelle „keine Ansprüche“ auf die Gebiete „östlich der Oder-Neiße“. Das ist nach Auffassung des Auswärtigen Amtes möglicherweise die Basis für Äußerungen des Politikwissenschaftlers Karl Kaiser, Adenauer habe die Oder-Neiße-Grenze als Ostgrenze eines wiedervereinigten Deutschland anerkannt.

In dem Vermerk heißt es: „Mr.Acheson brachte das Gespräch dann auf den Artikel VII des Generalvertrags, Friedensregelung und Wiedervereinigung.

Hierzu machte der Bundeskanzler längere Ausführungen etwa folgenden Inhalts: Die Bundesregierung stelle keine Ansprüche und verlange keine Bindungen der Alliierten hinsichtlich der Gebiete östlich der Oder-Neiße. Sie erwarte aber, daß auch die Alliierten keinerlei Bindungen gegenüber Dritten, sei es zum Beispiel gegenüber Polen, eingingen. Dieses Problem müsse der Friedensregelung vorbehalten bleiben.“ In seinen Memoiren schreibt Adenauer über die Unterredung: „Wir sprachen eingehend über den Artikel VII des Deutschlandvertrages, der eine Friedensregelung und die Wiedervereinigung Deutschlands betraf. Hierzu erklärte ich, daß die Bundesregierung von den Alliierten erwarte, daß sie hinsichtlich der Gebiete östlich der Oder-Neiße keinerlei Bindungen gegenüber Dritten, zum Beispiel Polen, eingingen. Dieses Problem müsse der Friedensregelung vorbehalten bleiben.“ In Adenauers „Erinnerungen“ fehlt der Hinweis, die Bundesregierung stelle „keine Ansprüche“ hinsichtlich der Gebiete östlich von Oder und Neiße.

Adenauer berichtete weiter, der bei der Unterredung anwesende Staatssekretär Walter Hallstein habe ausgeführt, die Bundesregierung wolle den Inhalt der Friedensregelung durch die Anführung gewisser Prinzipien näher bestimmen. Dazu gehöre „ein Hinweis, der unter anderem auch den Polen zeigen sollte, daß man nicht an eine einseitige, den deutschen Interessen allein dienende Lösung, sondern an eine vernünftige und gerechte Lösung des gesamten Territorialproblems, auch unter Berücksichtigung polnischer Wünsche, denke.“

Für den Historiker Josef Foschepoth ist durch Untersuchungen der Ära Adenauer inzwischen erwiesen, daß für den ersten Bundeskanzler nicht die Überwindung der Teilung Deutschlands, sondern deren Beibehaltung und Kultivierung im Vordergrund seiner Außenpolitik stand (siehe taz vom 20.7.). In einem von Foschepoth im britischen Staatsarchiv London ausgegrabenen Dokument vom 16.Dezember 1955 ist Adenauers Haltung in der Deutschen Frage noch einmal eindeutig beschrieben. Über den deutschen Botschafter in London, von Bittenfeld, ließ der Kanzler der britischen Regierung mitteilen, daß er grundsätzlich gegen eine Wiedervereinigung Deutschlands sei, auch dann, wenn sämtliche Forderungen des Westens hinsichtlich der innen- und außenpolitischen Handlungsfreiheit einer gesamtdeutschen Regierung von seiten der Sowjets erfüllt würden.

Für die DDR geht die Diskussion, ob Adenauer gegenüber den Westmächten auf die Westgebiete Polens, die früher zum Deutschen Reich gehörten, verzichtet habe, an den Realitäten vorbei. Die für die Oder-Neiße-Grenze maßgeblichen Dokumente seien das Potsdamer Abkommen von 1945 und ein Dokument aus den frühen 50er Jahren, in dem die Regierungschefs der DDR und Polens die Grenze völkerrechtlich „als Friedensgrenze zwischen beiden Völkern“ anerkannt hätten.

Der Fraktionssprecher der Grünen im Hessischen Landtag griff das Thema in einem Gespräch mit der Illustrierten 'Bunte‘ auf und erklärte, seiner Meinung nach sollte das Wiedervereinigungsgebot in der Präambel des Grundgesetzes aufgegeben werden.

bg