„Geselle“ vom Bauern tiergequält

■ Zehnjähriger Hannoveraner wollte Heuwagen nicht ziehen / Bauer nahm die Peitsche: Geldstrafe

Mit 30 Tagessätzen a 50 Mark wird bestraft, wer als Bauer seine 2 1/2-jährige „Lütsche“ und den 10-jährigen „Gesellen“ auspeitscht, bloß um ihnen beizubringen, wie man einen Heuwagen zieht. Zumindest nach Auffassung von Amtsrichter Paul Kopmann zeugt derartige pädagogische Praxis von strafwürdiger „Rohheit“ und „gefühlloser Gesinnung“, auch wenn der Bremer Richter in seiner Urteilsbegründung strafmildernd einräumen mußte: Die eineinhalbstündige Peitschen-Tortur des „Ge

sellen“ und der „Lütschen“ erfolgte aus im Prinzip aus einem durchaus „ehrenhaften Anlaß“. Das ändert aber nicht daran, daß „Wirbeltieren“ nicht grundlos „erhebliche Schmerzen“ zugefügt werden dürfen.

Der „Geselle“ und die „Lütsche“ sind beide Hannoveraner und im Besitz des Borgfeldern Bauern Jürgen L. Am 30. Oktober letzten Jahres hatte Bauer L. sich in seinen Dickkopf gesetzt, seinen beiden Gäulen den Dickkopf ein für allemal auszutreiben. Die beiden Tiere sollten „eingefahren“ werden, wie L. die systematische Gewöhnung an Geschirr und Gespann gestern vor Gericht nannte. Assistiert von seinem älteren Bruder und gestrigen Mitangeklagten Gerd legte der 44jährige Bauer also den in landwirtschaftlichen Dienstleistungen völlig unerfahrenen Pferden Halfter und Zaumzeug an, hängte seinen Heuwagen hintendran, stieg auf den Kutschbock und ärgerte sich, daß nicht passierte. Das Gespann stand, die Biester wollten nicht as der Bauer wollte und waren weder durch Ziehen, noch durch Schieben und Peitschenhiebe zu einem Meter Raumgewinn zu bewegen. Erst als ein hilfreicher und unerkannt entkommener Traktorfahrer seinen Trecker hinter das Gespann setzte und rücklings für vielfachen PS -Schub sorgte, bequemten sich die beiden vorderen PS zu einer etwa 150 Meter langen Jungfernfahrt. Der Trecker verschwand, die Pferde standen wieder. Diesmal endgültig. Eine 150 Meter lange Blutspur zeugte von ihren ersten Pferdeerfahrungen im Dienste des Menschen: Vermutliche hatte sich die Deichsel des Leiterwagens mehrfach in die Flanken gebohrt und „erhebliche Fleischwunden“ hinterlassen, wie ein Tierarzt später diagnostozierte. Auch mehrere pferdeverständige Zeugen wollen gesehen haben, wie die Pferde anschließend „in ihrem Blut“ standen.

Unter ihnen der Stallmeister der Bremer Stadthalle bei allen großen Reit-und Springturnieren, den der Zufall des Wegs geführt hatte. Seine Appelle, die Tiere endlich auszuspannen statt sie weiter mit der Peitsche zu traktieren, stießen bei Bauer L. allerdings auf taube Ohren. Er bot dem Stadthallenstallmeister ein paar Peitschenhiebe an, nicht ahnend daß Stadthallenstallmeister es sich „gar nicht leisten können, tatenlos zuzusehen, wie Pferde frikassiert werden“. Er alar

mierte die Polizei, die inzwischen auch von weiteren aufgebrachten Zeugen über die tierunwürdige Behandlung in den Borgfelder Feldwegen in Kenntnis gesetzt worden war.

Im Gegensatz zu ihnen, Staatsanwalt und Sachverständigem waren sich die Bauern Jürgen und Gerd L. auch gestern noch keiner besonderen Schuld bewußt. Sie verstanden die ganze Aufregung nicht und wollen angeblich nur die väter-und großväterliche Tradition in Sachen Pferde-Abrichtung fortgesetzt haben. Wenn man dafür heute bestraft werde, müßte eigentlich jeder Landwirt alle paar Monate vor Gericht stehen. Statt sich mit großem Zeuge

naufwand um solche Lappalien zu kümmern, solle sich das Gericht doch lieber mal über Tierversuche in Großlaboren den Kopf zerbrechen, ließen sie durch ihre Verteidiger ausführen.

Richter Kopmann sah's am Ende - trotz eingeräumter „Bauchschmerzen“ - anders. Nachdem alle Appelle an den Staatsanwalt, die Angelegenheit als „Ordnungwidrigkeit“ tiefer zu hängen und sich mit einer Geldbuße zu begnügen, gescheitert waren, verurteilte er Bauer Jürgen L. wegen Tierquälerei zu 1500 Mark Geldstrafe. Bruder Gerd muß 225 Mark zahlen. Ihre Verteidiger wollen Berufung einlegen.

K.S.