: Wehrsport-Hoffman bittet zum Interview
Antworten nur gegen Cash / Zensur bei Fragen und Behauptungen / Gelder von Medien für Neonazis / Feste Honorarsätze ■ Von Bernd Siegler
Nürnberg (taz) - Als der ehemalige Chef der Nürnberger Wehrsportgruppe, Karl-Heinz Hoffmann, nach fast sieben Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen wurde, wollte er von Interviews zunächst nichts hören. Um von leidigen Telefongesprächen abgeschirmt zu werden, beauftragte er zwei Herren namens Gleichmann und Schultheiß. Die beiden Mittelsmänner wickelten von da an die Kontakte mit den Medien ab. Blätter der Verlage Springer, Burda und Bauer sowie der 'Stern‘ wurden von vornherein aus dem Kreis der Interessenten ausgeschlossen.
Für die anderen stellte Hoffmann über seine „Vermittler“ Bedingungen. Demnach durfte er weder im Interview noch im Vor- oder Nachspann als „Neonazi“ bzw. „Nazi“ bezeichnet werden, als äußerstes würde man die Titulierung als „Rechtsextremist“ dulden. Zudem müsse im Verlauf der Interviews der Hinweis fallen, daß der Ex-WSG-Chef seinen Lebensunterhalt als Kunstmaler bestreiten wolle und in der Haft das Buch „Verrat und Treue“ geschrieben habe. Eine Rückblende auf das Oktoberfestattentat, das der ehemalige Hoffmann-Gefolgsmann Gundolf Köhler alleine begangen haben soll, verbat sich Hoffmann entschieden, da er damit „absolut nichts“ zu tun gehabt hätte. Bei Zuwiderhandlungen wäre eine Konventionalstrafe in Höhe von 30.000 DM fällig. „Die Bedingungen sind für alle Medien gleich“, betonte Schultheiß gegenüber der taz. Für Printmedien wäre zusätzlich eine „Vermittlungsprovision“ in Höhe von 2.000 DM fällig, für Fernsehen entsprechend mehr. Schultheiß: „Sie wissen doch, daß für solche Sachen gezahlt wird.“
Aufgrund dieser Bedingungen winkte die taz ab, das Hoffmann -Interview machte Spiegel-TV. Im Vorspann des am 23.Juli auf RTL-plus gesendeten Beitrags erwähnt Spiegel-TV-Chef Stefan Aust, daß Hoffmann weder mit dem Oktoberfestattentat noch mit dem Erlanger Doppelmord „persönlich etwas zu tun hatte“. Der WSG-Chef wird als „rechter Freizeitkrieger“ bzw. „Rechter“ tituliert, das Wort „Neonazi“ oder „Nazi“ wird tunlichst vermieden. Ein Zufall?
Der für den Beitrag verantwortliche Spiegel-TV-Redakteur Thomas Schäfer bestreitet, irgendwelche inhaltlichen und finanziellen Fortsetzung auf Seite 2
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Vereinbarungen mit Hoffmanns Mittelsmännern getätigt zu haben. „Das wäre doch absurd, mit dem ehemaligen Chef der Wehrsportgruppe einen Vertrag abzuschließen.“ Auch sein Chef Stefan Aust dementiert, will aber „grundsätzlich gegenüber niemanden Angaben zu irgendwelchen Absprachen und Hintergründen von Recherchen machen“. Wenn jemand in punkto Honorare für Rechtsextreme zurückhaltend sei, dann sei er das.
Schon im April letzten Jahres waren Informationen durchgesickert, daß anläßlich der Neonazi-Umtriebe im hessischen Langen und des 100.Ge
burtstags von Adolf Hitler Neonazis bei den Medien Kasse gemacht haben. „Die Medien sind unsere beste Einnahmequelle“, bestätigte denn auch der hessische FAP -Vorsitzende und damaliger Spitzenkandidat von Kühnens „Nationaler Sammlung“ (N.S.), Heinz Reisz. „Über den Daumen gepeilt sind da schon an die 10.000 DM zusammengekommen“, erzählt er der 'Frankfurter Rundschau‘. Die Terminkoordination für Interview-Wünsche manageten Rainer Sonntag aus Langen, N.S.- Kandidat für die Wahl der Stadtverordnetenversammlung, und Wolfgang Heß aus Frankfurt. Printmedien kosten 550 DM, TV-Leute zahlen 400 DM mehr, Exklusivität extra. Das liegt im „Rahmen“. Die Honorarforderungen für
TV-Interviews mit dem FAP-Vorsitzenden Firedhelm Busse oder dem FAP-Generalsekretär Jürgen Mosler belaufen sich auf etwa 1.000 DM, komplette Kameradschaftsabende oder Actionberichte von Camps sind teurer. Die Preise, so Sonntag, seien „gestaffelt nach dem Medium und je nach dem Grad der Führungskraft“. Nicht nur bundesdeutsche Medien wie z. B. 'Der Spiegel‘, Spiegel-TV, 'tempo‘ oder der Hessische Rundfunk fragten nach Interviews - und bekamen sie. Für 2.000 Francs durfte ein französisches Fernsehteam nach dem N.S.-Verbot die Wahl von Reisz zum FAP-Landesvorsitzenden filmen, ein dänisches Team zahlt Benzinkostenzuschüsse, um einen Neonazi-Aufmarsch in Nordhessen
drehen zu dürfen. Für die Feierlichkeiten zum Führergeburtstag auf der Breuburg bei Breuberg im Odenwald am 20.April mußten Journalisten 100 DM Eintritt bezahlen. U.a. zwei 'Spiegel'-Journalisten zahlten anstandslos - gegen Quittung mit Hakenkreuz-Stempel.
Um den Journalisten die spätere Abrechnung zu erleichtern bzw. um nicht Honorare für Neonazis durch die offizielle Abrechnung mitschleppen zu müssen, werden die Gelder phantasievoll deklariert. Für ein Interview in dem mit Hitlerbild und Parteifahne geschmückten Wohnzimmer von Heinz Reisz sind „Nutzungsentschädigungen für das Zimmer“ zu entrichten, ansonsten „Aufwandsentschädigungen“ oder „Fahrtkostenzuschüsse“.
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