Lebenslänglich für Palme-Mord

■ Richter plädierten für Freispruch, Geschworene forderten lebenslänglich / Prozeß ohne eindeutige Beweise / Die Tatwaffe wurde nicht gefunden / Der verurteilte Christer Pettersson beteuert seine Unschuld

Berlin (dpa, afp, taz) - Der 42jährige Schwede Christer Pettersson ist gestern wegen Mordes an Olof Palme zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Stockholmer Schwurgericht bestätigte damit halboffizielle Informationen, die bereits seit einer Woche bekannt waren. Aus Mangel an technischen Beweisen für die Schuld Petterssons - die Tatwaffe wurde nie gefunden - hatten die beiden Berufsrichter, für Freispruch plädiert, sie wurden jedoch von den sechs Geschworenen überstimmt. Der Verurteilte war am 14. Dezember 1988 verhaftet und am 29. Mai angeklagt worden. Petterssons Hauptverteidiger in dem sechswöchigen Prozeß hatte von vornherein angekündigt, er wolle in Berufung gehen. Pettersson wird vorgeworfen, Olof Palme am Abend des 28. Februar 1986 in der Stockholmer Innenstadt aus 20 Zentimeter Entfernung erschossen zu haben. Nach der Tatnacht hatten die schwedischen Fahnder zahlreiche unterschiedliche Spuren verfolgt und - teilweise mit großer Zeitverzögerung - wieder verworfen. Hartnäckig hielt sich der Verdacht gegen die kurdische Befreiungsbewegung PKK als Tatveranwortliche. Ermittlungen richteten sich auch gegen rechtsradikale Polizisten im Stockholmer Apparat. Weil sie einen Privatdetektiv einschaltete, stolperte im Juni 1988 die Justizministerin Anna-Greta Leijon über den Palme-Mord.

Nachdem alle anderen Spuren im Sande verlaufen waren, stieß die Polizei im Dezember vergangenen Jahres bei einer systematischen Durchforstung der Gewaltverbrecherkartei auf den mehrfach vorbestraften drogensüchtigen Pettersson. Doch ein „Mordmotiv wurde bis heute nicht bekannt. Pettersson selbst bestreitet die Tat energisch. Vor Gericht erklärte er Anfang Juli sogar, er habe Olof Palme „bewundert“.

Zm Verhängnis wurde Pettersson die Kronzeugin der Anklage, Lisbeth Palme, die unter Auschluß der Öffentlichkeit aussagte, sie habe Pettersson in der Tatnacht „in die Augen gesehen“. Er habe nur wenige Meter von ihr entfernt gestanden und sie mit starrem Blick angeschaut, bevor er verschwand.

Staatsanwalt Anders Helin war es während der Verhandlungen gelungen, Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Hauptzeugen der Verteidigung, des 68jährigen Rentners Algot Aasell, aufkommen zu lassen. Dieser hatte erklärt, Pettersson um die Tatzeit in einer Vororthaltestelle der Bahn gesehen zu haben. Das Berufungsgericht wird sich die mehrere tausend Seiten starke Akte am 7. September vornehmen. Dann müssen mehrere Personen ein weiteres Mal in den Zeugenstand treten, darunter auch Lisbeth Palme. Nach der uneinheitlichen Entscheidung des Gerichts ist der Prozeßausgang wieder völlig offen. Kommentar Seite 8