Schlechte Luft im Uno - Dicke Luft bei Fiat

Musterprozeß wegen hoher Benzol-Konzentration im Fiat Uno / Autokonzern bestreitet Gefährlichkeit: bei normalem Fahrbetrieb „verflüchtigen“ sich die Dämpfe  ■  Von Manfred Kriener

Frage: Was hat ein Fiat-Uno mit hartgekochten Hühner-Eiern gemeinsam? Antwort: Beide enthalten Benzol. Der Witz ist eigentlich gar nicht so witzig. Daß er erzählt wird, hat sich der italienische Auto-Hersteller selbst zuzuschreiben. Nach Veröffentlichungen über die gefährlichen Benzoldämpfe im Innenraum des schicken Kleinwagens Uno-75 durch das Verbrauchermagazin 'Öko-Test‘ bemühte die Fiat-Zentrale ausgerechnet das Hühner-Ei, um sich reinzuwaschen. Wer zwei hartgekochte Eier ißt, funkten die Heilbronner PR-Manager an die irritierte Öffentlichkeit, nehme mehr Benzol auf als derjenige, der acht Stunden Fiat Uno fahre. Der Vergleich ist typisch für die Art und Weise, mit der Fiat in der Benzol-Affäre argumentiert.

„Demagogie und Arroganz“ wirft Ekkehard Lentz, Sprecher der Fiat-Uno-Geschädigten, dem Auto-Konzern vor. Auch der TÜV Hannover, der die Benzol-Dämpfe im Uno entdeckte, wie auch das Kraftfahrtbundesamt zeigen wenig Verständnis für die Hartnäckigkeit, mit der die Herstellerfirma abwiegelt. Jetzt soll Fiat mit einem Musterprozeß zum Schadenersatz verdonnert werden. Mit dem Prozeß soll zugleich eine breite Rückrufaktion des Uno und der Austausch der Benzinleitungen erzwungen werden.

Verbraucherschützer und Uno-Geschädigte trafen sich diese Woche in Bonn, um den Prozeß gegen Fiat auf den Weg zu bringen.

Ein anderer Gerichtstermin hat in Sachen Uno bereits stattgefunden. Per Einstweiliger Verfügung wollte der Autokonzern die aufmüpfigen Öko-Tester in die Knie zwingen und zentrale Aussagen des Benzol-Artikels verbieten lassen. Doch nur in einem Fall konnte sich Fiat durchsetzen: Das Magazin darf nicht mehr behaupten, daß „der Tod in Fiat-Unos zwar nicht aus dem Tank - aber aus den Bezinleitungen kommt“. Doch die gesamte übrige Berichterstattung einschließlich aller Meßdaten blieb unangetastet. Ebenso der zentrale Satz: „Für Fiat steht der gute Ruf auf dem Spiel, für Fiat-Uno-Fahrer die Gesundheit.“

Der Anfang: TÜV stellte Uno

auf den Prüfstand

Schon der ADAC hatte in seinem Uno-Test festgestellt, daß der Kleinwagen im Innenraum ein unangenehmes „Gschmäckle“ hat. 'Öko-Test‘ blieb am Ball und beauftragte den TÜV -Hannover, der Sache nach- und auf den Grund zu gehen. Die Hannoveraner Ingenieure wurden fündig. Mit einem umfangreichen Meßprogramm stellten sie deutlich überhöhte Konzentrationen des krebserzeugenden Benzols und anderer Kohlenwasserstoffe fest. Und sie spürten auch die Hauptquelle des Übels auf: die Benzinleitung aus Polyamid. Beim Uno ist sie durch den Fahrgastraum verlegt. Laborversuche des TÜV ergaben zweifelsfrei die Durchlässigkeit des verwendeten Leitungsmaterials. Und nach dem Austausch der Plastikschläuche durch Kupferleitungen sank die Gift-Konzentration im Fahrgastraum des Uno deutlich ab. Als das Auto dann wieder in den serienmäßigen Zustand zurückgerüstet wurde, gingen die Werte erneut nach oben. Zitat aus dem TüV-Bericht: „Im Anlieferungszustand bewegten sich (die gemessenen Kohlenwasserstoffe) in der Größenordnung von 4.700 bis 9.700 Mikrogramm pro Kubikmeter, in dem mit Kupferleitungen ausgestatteten Fahrzeug sanken sie auf 200 bis 800 Mikrogramm.“ Stichprobenartig untersuchten die TÜV-Ingenieure auch einige Fahrzeuge anderer Hersteller. Ergebnis: Die Konzentrationen an Benzol und anderen Kohlenwasserstoffen „lagen deutlich niedriger als in den beiden Prüffahrzeugen“ von Fiat-Uno.

An den Ergebnissen der brisanten Untersuchung ist bis heute nicht gerüttelt worden. Sie werden auch von Fiat nicht angezweifelt. Was der Auto-Konzern allerdings rundweg abstreitet, ist die Übertragbarkeit der Tests auf die alltägliche Fahrpraxis.

In einem Rundbrief an alle Fiat-Händler, als „Chefsache“ aus Heilbronn deklariert, wurde unter anderem folgende Sprachregelung ausgegeben, die „bei Kundennachfragen“ verwendet werden soll:

„Die Messungen, die der TÜV durchgeführt hat, werden von der Zeitschrift Öko-Test in völlig falscher Weise gebracht, sie geben in keinster Weise die Wirklichkeit eines normalen Einsatzes eines Fahrzeuges wieder. Praktisch gesehen, genügt das einfache Öffnen der Tür und mehr noch der normale Betrieb des Fahrzeugs im Straßenverkehr, um die gemessene Konzentration erheblich zu senken. Damit ist die Aussagekraft des Testes gleich null. Es ist klar, daß die Testsituation auf keinen Fall im normalen Fahrzeugeinsatz eintreten kann.„

Wie war denn nun die von Fiat so vehement kritisierte Testsituation? Die TÜV-Experten hatten das Auto bei geschlossenen Fenstern und Türen bis zu zweieinhalb Tagen stehen lassen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten die Schadstoff-Belastung gemessen. Die Konzentration an aromatischen Kohlenwasserstoffen stieg dabei auf bis zu 9.673 Mikrogramm/Kubikmeter, davon 2.600 Mikrogramm Benzol. Für Norbert Heckötter, den Leiter des Abgasprüfstelle, entspricht das Versuchsmodell allen realistischen Annahmen. Wer zum Beispiel am Wochenende seinen Uno stehen läßt und sich Montagmorgen in das Fahrzeug setzt, der wird, so Heckötter, wenn auch nur für kurze Zeit, mit den gemessenen Benzin-Ausdünstungen konfrontiert. Und nicht jeder Autofahrer kurbelt sofort das Fenster herunter.

Benzol-Affäre schafft

juristisches Neuland

Daß sich beim Fahren die Schadstoff-Konzentrationen rasch und erheblich verringern, bestreiten weder der TÜV noch 'Öko -Test‘. Nur: Wer fahren will, muß zuerst einsteigen und wird dabei mit einem unbelüfteten Innenraum und den erhöhten Benzol-Konzentrationen konfrontiert.

Als zweites Geschütz fährt Fiat die Zulassungsbestimmungen auf. Der Uno, so argumentieren die Fiat-Anwälte und die Heilbronner Zentrale, habe „die härtesten Typ-Prüfungen bestanden“, und auch bei den TÜV-Messungen seien „keine Verstöße gegen geltende Zulassungsbestimmungen entdeckt worden“. Das ist richtig. Allerdings wird bei den Zulassungen die Innenraum-Belastung eines Autos überhaupt nicht gemessen. Der TÜV spricht denn auch von „juristischem Neuland“, das mit der Benzol-Affäre des Uno beschritten werde.

Das Kraftfahrtbundesamt, das inzwischen ebenfalls aktiv geworden ist, verweist allerdings auf Paragraph 30 der Straßenverkehrszulassungsverordnung. Dort heißt es im Absatz 1:

„Fahrzeuge müssen so gebaut und ausgerüstet sein, daß ihr verkehrsüblicher Betrieb niemanden schädigt oder mehr als unvermeidbar gefährdet, behindert oder belästigt.„

Bereits im Juni hat das Amt die Heilbronner Fiat-Zentrale auf diesen Paragraphen hingewiesen und eine Stellungnahme angefordert. Bis heute hat die Flensburger Behörde keine Antwort erhalten.

Daß die Benzol-Ausdünstungen im Sinne des Paragraphen 30 unvermeidbar sind, wird Fiat kaum behaupten können. Zahlreiche Uno-Besitzer haben durch den - privat finanzierten - Austausch der Benzinleitungen das Gegenteil bewiesen. Je nach Uno-Typ und Werkstatt kann für 250 bis 500 Mark die Quelle des Übels beseitigt werden.

„Benzol ist ein

Naturprodukt“

Wer bei diesem nachträglichen Austausch ein Entgegenkommen von Fiat und zumindest eine „Halbe-Halbe-Finanzierung“ erwartet hat, sieht sich getäuscht. Auch im Zeitalter von Öko-Marketing und grüner Image-Pflege will der Konzern keinen Pfennig zahlen, und auch eine Rückrufaktion komme nach wie vor „überhaupt nicht in Frage“, wie Fiat-Sprecher Claus Witzeck diese Woche der taz erneut versicherte. Witzeck stellt den Uno als Paradebeispiel für ein schadstoffarmes Auto dar. Und im übrigen: „Benzol ist ein Naturprodukt, das Sie überall finden.“

Wie gefährlich ist nun dieses „Naturprodukt“, und vor allem: wie gefährlich sind die gemessenen Konzentrationen im Uno? Der TÜV-Hannover hält sich bei der Bewertung zurück. „Wir sind keine Wirkungsforscher“, sagt Emissions-Experte Heckötter. Die gemessenen Konzentrationen seien zwar relativ gering, doch Benzol sei ein krebserregender Stoff, für den ein MAK-Wert (maximale Arbeitsplatz-Konzentration) von Null gelte.

Axel Friedrich, Abgas-Experte beim Umweltbundesamt, findet die Belastung zwar „nicht so dramatisch“, würde sich selbst aber nicht in ein Auto setzen, dessen Innenraumluft mit 6.000 oder 7.000 Mikrogramm/Kubikmeter an aromatischen Kohlenwasserstoffen belastet ist. Für Friedrich ist ausschlaggebend, daß die Benzol-Belastung im Uno „völlig unnötig ist und leicht beseitigt werden könnte“.

Damit spricht er den entscheidenden Punkt an. Bei einem krebserregenden Stoff, für den es keine unschädliche Dosis gibt, wäre eine Minimierung der Belastung in jedem Fall angezeigt. Die Sturheit von Fiat und die Weigerung, ein objektives Problem auch nur anzuerkennen, löst inzwischen bei allen Beteiligten in Sachen Uno nur noch Kopfschütteln aus. Die Quittung hat der Hersteller bereits erhalten. Die Fiat-Anwälte: „Bereits jetzt ist eine derartige Verunsicherung eingetreten, daß der Absatz dieses beliebten Fahrzeugs (...) derzeit zum Erliegen gekommen ist.“