: Bush strategisches Programm „zerfetzt“
■ Repräsentantenhaus kürzt der Bush-Administration die Millionen für den umstrittenen „Stealth„-B-2-Bomber und SDI / Interkontinentalrakete Midgetman gleich ganz gestrichen / Zähe Verhandlungen mit Senat und Regierung erwartet
Washington (afp/dpa) - In den USA zeichnet sich ein Konflikt über den Verteidigungshaushalt für das kommende Jahr ab. Die wichtigsten strategischen Rüstungsprogramme der Regierung jedenfalls haben eine schwere Schlappe erlitten. Das Repräsentantenhaus verabschiedete am Donnerstag abend einen Militärhaushalt, der gegenüber dem Entwurf des Verteidigungsministeriums deutliche Kürzungen aufweist. In dem Etat, der nunmehr ein Volumen von 295 Milliarden Dollar hat, wurden die Ansätze für den „Tarnkappenbomber“ B-2 und die Strategische Verteidigungsinitiative (SDI) einer Raketenabwehr im Weltall stark gekürzt sowie die Mittel für die interkontinentale Midgetman-Rakete ganz gestrichen. Der Demokrat Les Aspin: „Wir haben Georg Bushs strategisches Programm ganz schön zerfetzt.“ Vertreter der demokratischen Mehrheit im Repräsentantenhaus werteten die Entscheidung als klare Positionsmarkierung der Demokraten gegenüber der Regierung unter Präsident George Bush. Gleichzeitig zeichnet sich ein Konflikt mit dem Senat ab. Die zweite Kammer schließt ihre Beratungen erst in der kommenden Woche ab, hat aber bereits neue Mittel für den B-2-Bomber bewilligt. „Wir haben einen Michael Dukakis-Verteidigungshaushalt“, kommentierte der demokratische Abgeordnete aus Wisconsin und Vorsitzende des Streitkräfteauschusses, Les Aspin, die Entscheidung des Repräsentantenhauses. In Anspielung auf das Wahlprogramm des Gouverneurs von Massachusetts, der im vergangenen Jahr bei den Präsidentenwahlen von Bush geschlagen wurde, sagte Aspin: „Mike hat die Wahl gewonnen. Keine Midgetman. Keine MX auf Schienen. Große Kürzungen bei SDI und Verlangsamung beim B-2.“ Andererseits enthält die mit 261 gegen 162 Stimmen beschlossene Fassung des Haushalts, an der noch bis zur letzten Minute Änderungen vorgenommen worden waren, Mittel für zwei konventionelle Rüstungsprogramme, die Präsident George Bush aufgeben wollte: das Marine-Kampfflugzeug F-14D und der Senkrechtstarter V-22 Osprey. Den spektakulärsten Eingriff nahm das Repräsentantenhaus beim Prestigeobjekt der US -Luftwaffen vor, dem B-2-Bomber, der durch seine Stealth -Bauweise für Radar nicht erfassbar sein soll. Nach dem Willen der demokratischen Mehrheit sollen in den kommenden beiden Jahren jeweils nur zwei B-2 gebaut werden statt der insgesamt acht, die das Pentagon vorgesehen hatte. Aber auch das Geld für die vier bewilligten Flugzeuge soll so lange „eingefroren“, d.h. gesperrt bleiben, bis das Pentagon eine weniger kostspielige Version seines gesamten B-2-Programms vorlegt hat. Die bisherige Planung des Verteidigungsministeriums sah den Bau von insgesamt 132 Maschinen vor, was Kosten von über 70 Milliarden Dollar bedeutet hätte. Bei einem Stückpreis von etwa einer halben Milliarde Dollar ist die B-2 das teuerste Flugzeug der Welt. Im übrigen soll die Produktion nach Maßgabe der Abgeordneten erst dann wieder aufgenommen werden, wenn bewiesen ist, daß die B-2 tatsächlich in der Lage, unentdeckt vom gegnerischen Radar auf sowjetisches Territorium vorzudringen. Der Senat, in dem ebenfalls die Demokraten die Mehrheit haben, hat in seinen Haushaltsberatungen dagegen bereits am Dienstag mit 98 zu 1 Stimmen den Bau der B-2 befürwortet, allerdings 300 Millionen Dollar des auf 4,7 Milliarden Dollar veranschlagten Programms gestrichen. Nach Abschluß der Senatsberatungen müssen beide Kammern über einen gemeinsamen Entwurf beraten. Der Etat soll ab 1. Oktober 1989 gültig sein. Angesichts der Tatsache, daß im Repräsentantenhaus die Positionen der Regierung „Schritt für Schritt aufgerollt“ werden, forderte der demokratische Senator von Georgia und Vorsitzende des Senats-Streitkräfteausschusses, Sam Nunn, die amerikanische Verteidigungspolitik „nicht zu verwässern“. Die Mittel für die Strategische Verteidigungsinitiative wurden um ein Drittel von 4,9 Milliarden auf 3,1 Milliarden Dollar gekürzt. Bush hatte noch am Montag persönlich den Kongreß gebeten, hier nichts anzurühren. Vollkommen gestrichen hat das Repräsentantenhaus die Mittel für die noch im Planungsstadium befindliche mobile Interkontinentalrakete Midgetman. Für die Entwicklung dieser mit einem Atomsprengkopf ausgerüsteten Rakete waren für das kommende Jahr 100 Mio Dollar vorgesehen.
Bis kurz vor der Kongreßdebatte hatte die Rüstungsindustrie mit einer ungewöhnlichen Maßnahme versucht, Einfluß auf die Abgeordneten zu nehmen: In ganzseitigen Zeitungsanzeigen und in TV-Spots warben sie mit 60.000 Dollar Kosten für den Stealth-Bomber. Deren Hersteller Northrop tönte, „ein neues Zeitalter“ sei angebrochen. Mit dem ersten Flug des unsichtbaren Fliegers habe eine „neue industrielle Revolution“ begonnen. Langsam und allmählich scheint sich die Ansicht durchzusetzen, nach dem Ende des Kalten Krieges mehr Geld in die Gesellschaft und weniger in ihre Kriegsmaschine investieren sollten.
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