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Keine Kompromisse

■ Der Konflikt um die Alte Feuerwache in der Lindenstraße spitzt sich zu Gegen dreizehn BewohnerInnen gibt es schon Räumungsklagen

„Die Linde 40-41 denen, die drin wohnen“, steht auf dem Transparent, das über der Toreinfahrt der Alten Feuerwache in der Kreuzberger Lindenstraße baumelt. Es riecht nach abgestandenem Bier, im Hof stehen noch die Holztische und Bänke vom gestrigen Hoffest. „Ich schätze, daß an die 1.000 Leute hier waren“, sagt Karin, eine der Lindenstraßen -Bewohnerinnen noch ganz beeindruckt von dem großen Andrang. Auch viele AnwohnerInnen aus dem angrenzenden IBA -Neubaugebiet Südliche Friedrichstadt seien gekommen. „Viele haben gesagt, daß sie nicht wollen, daß wir ihretwegen auf der Straße stehen.“

Doch genau das droht den mehr als 70 BewohnerInnen. Ende April erhielten mehr als die Hälfte von ihnen, die bloß von Monat zu Monat verlängerte Zwischennutzungsverträge hatten, die Kündigung, inzwischen liegen 13 Räumungsklagen vor. 23 Mietparteien haben noch Schonfrist, ihre Mietverträge laufen 1992 aus. Mitte August stehen die ersten Gerichtstermine an. Die MieterInnen sollen ihre Wohnungen räumen, weil der Bezirk und der Bund der Deutschen Pfadfinder (BDP) in der Alten Feuerwache ein Jugendfreizeit- und Kiezbegegnungstätte und eine Tagungsstätte mit Übernachtungsmöglichkeit für BerlinbesucherInnen einrichten wollen. Falls die Wohnungen nicht leergemacht würden, ließ der BDP mitteilen, würde notfalls auch mit Hilfe der Polizei geräumt.

Doch freiwillig wollen die MieterInnen ihre Wohnungen inzwischen nicht mehr räumen. Sie sehen nicht ein, daß sie demnächst auf der Straße stehen sollen, während Berlin -Touristen in ihren Wohnungen übernachten können. Ihr Protest richte sich jedoch nicht gegen die Verbesserung des Freizeitangebots im Kiez, erklären sie. Die über drei Jahre alte und immer wieder verschobene Planung müsse noch einmal überdacht werden, fordern sie. Bei den Verantwortlichen stießen sie jedoch auf Granit. Gespräche mit Bezirksbürgermeister König (SPD), Baustadträtin Franziska Eichstädt-Bohlig (parteilos) und Jugendstadtrat Borchardt (SPD) verliefen ergebnislos. „König hat uns eine Moralpredigt gehalten“, erinnert sich Sylvia. „Das Boot ist voll, hat er gesagt, es können sich nicht alle in Kreuzberg selbst verwirklichen.“ Durch ihre Weigerung, die Wohnungen wieder zu räumen, würden sie anderen Zwischennutzern diese Möglichkeit nehmen. Kein Vermieter in der Stadt würde sich dann mehr auf Zwischennutzungsverträge mehr einlassen. „Die haben alle gesagt, es täte ihnen zwar leid, aber man wolle das Projekt in der Alten Feuerwache jetzt durchziehen“, erklärt Karin. „Auf unsere Argumente ist jedoch niemand eingegangen.“

Auch die Pfadfinder machen mobil. Sie verteilten Flugblätter an die AnwohnerInnen der Südlichen Friedrichstadt, um ihr Projekt publik zu machen. Dabei wurde unter anderem mit einem Freizeitangebot für Kinder geworben. „Bereits jetzt kommen Kinder in den Hof, weil sie glauben, daß sie hier spielen können“, erzählt Karin. Ein Kinderspielplatz oder gar eine KiTa, wie sie die BewohnerInnen des IBA-Neubaugebiets dringend wünschen, sei jedoch in der Bauplanung überhaupt nicht vorgesehen.

-guth

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