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Liegt Kambodschas Zukunft in Paris?

Internationale Kambodscha-Konferenz gestern in Paris eröffnet / Vietnam gesteht Beteiligung der Roten Khmer an Übergangsregierung zu / China hält Schlüssel zur Lösung des zehnjährigen Kambodscha-Konflikts / Schewardnadse und Baker vereinbaren Gipfel  ■  Von Jagan und Lenz

Nach den Revolutionsfeierlichkeiten und dem G7-Treffen beherbergt Paris sein drittes politisches Gelage innerhalb eines Monats. Auf der gestern offiziell eröffneten Kambodscha-Konferenz geht es jedoch nicht um wohlformulierte Erklärungen, sondern um nichts Geringeres als eine Lösung für den zehnjährigen Kambodscha-Konflikt.

Gleich zum Auftakt sorgte Vietnam für eine Überraschung und ließ seine Einwände gegen die Beteiligung der Roten Khmer an einer kambodschanischen Übergangsregierung fallen. Es gehe nur um eine Frage der Quantität, jenseits derer eine Regierungsbeteiligung eine andere Qualität erhalte, erklärte Außenminister Nguyen Co Thach kryptisch, doch er wurde verstanden. Dem Anlaß entsprechend akzeptierte er zudem erstmals eine umfassende Lösung der Kambodscha-Frage unter Einschluß der Weltmächte sowie der Vereinten Nationen statt einer kambodscha-„internen Lösung“.

Neben den direkt Beteiligten und mehreren Nachbarstaaten sind auch die USA, die UdSSR und China, insgesamt fast 20 Länder, zugegen. Der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse und sein amerikanischer Amtskollege James Baker gaben sich am Vorabend der Konferenz ebenfalls entschlußfreudig und klopften ein gemeinsames Gipfeltreffen fest. Der Kambodscha-Konflikt wurde bei ihrer dreieinhalbstündigen Unterredung allerdings unter „ferner liefen“ abgehandelt.

Zur fortgesetzten Waffenhilfe an den afghanischen Widerstand erklärte Baker seinem sowjetischen Kollegen, daß die USA zwar an einer politischen Lösung in Afghanistan interessiert seien, die Mudschaheddin sich jedoch unter keinen Umständen zum Einlenken bereit fänden, solange Nadschibullah in Kabul noch an der Macht ist.

Was tun

mit den Roten Khmer?

In der Kambodscha-Frage waren sich die Außenminister weitgehend einig, ungelöst blieb nach wie vor die Frage nach den Roten Khmer: Wie mit den für den Tod von über einer Million Kambodschanern Verantwortlichen umgehen? Seitdem der Friedensprozeß vor zwei jahren anlief, liefern die Roten Khmer das ständige Problem. Um einen Bürgerkrieg zu verhindern, ist es an den Chinesen, die Militärhilfe für ihre Schützlinge einzustellen.

Das Eintreffen auch des chinesischen Außenministers Qian Qichen nährt Spekulationen, daß China sich diesmal von den Roten Khmer lossagen könnte. Offiziell hat sich die chinesische Linie zwar nicht verändert, aber die Wiederaufnahme und der zunehmende Kontakt mit der Regierung Hun Sen deutet darauf hin, daß Peking eine Kurswendung einleiten möchte. Gleichzeitig bietet sich dem chinesischen Außenminister bei seiner ersten Auslandsreise seit dem Tiananmen-Massaker eine willkommene Gelegenheit, diplomatische Zäune abzubauen.

Ein weiterer strittiger Punkt ist die zukünftige Rolle der Roten Khmer in einer Übergangsregierung. Sihanouk und seine Hintermänner bestehen darauf, wie US-Vertreter gestern noch einmal wiederholten, daß die Roten Khmer bei einer politischen Lösung integriert werden müßten. Hun Sen für seinen Teil ist bereit, ihnen nach einer Konfliktlösung die Kandidatur bei international überwachten freien Wahlen zuzugestehen. Nicht bereit war er bislang, die gegenwärtige Regierung aufzulösen und die Roten Khmer an einer Übergangsregierung zu beteiligen. Die Integration ihrer 30.000 Guerillakämpfer in eine kambodschanische Armee, wie Sihanouk die Koalitionslösung vorgestellt hat, wäre die Gewähr für einen Bürgerkrieg.

Wenn zum jetzigen Zeitpunkt auch nur weniges offen auf dem Tisch liegt, so trafen in den letzten Wochen die Schlüsselpersonen immmer wieder zu geheimen Unterredungen zusammen. Trotz der bitteren Wortgefechte zwischen Hun Sen und Sihanouk sprechen politische Beobachter durchaus von einer gemeinsamen politischen Basis. Obschon Sihanouk seine eigene Verfassung für Kambodscha nach Paris mitgebracht hat, darf man davon ausgehen, daß auch ihn die politischen und ökonomischen Zugeständnisse, die die Hun-Sen-Regierung in diesem Jahr angestrengt hat, nicht unbeeindruckt lassen.

In den letzten Monaten hat Hun Sen seine eigene Version von Perestroika und Glasnost eingeführt. Bauern dürfen fortan ihr Land nicht nur besitzen, sondern auch selbst bestimmen, was sie ernten und davon verkaufen werden. Auf den urbanen Märkten des Landes wächst das Warenangebot, und mehr und mehr Privatautos kreuzen auf den Straßen Phnom Penhs. Klagen über Korruption bleiben allerdings im Zuge der Öffnungspolitik nicht aus, ebensowenig eine Preissteigerungsrate von 30 Prozent in den letzten drei Monaten.

Nach durchgreifenden Verfassungszugeständnissen und den Gesprächen der letzten Woche bleiben, wie aus unterrichteten Kreisen verlautete, wiederum nur die Roten Khmer Anstoß des Streits zwischen Hun Sen und Sihanouk. Nach dem Truppenabzug der Vietnamesen Ende September, so wird jedenfalls befürchtet, könnten die Roten Khmer ihre jetzt schon in den Nordwest-Regionen des Landes verstärkten Kampfhandlungen auf andere Landesteile ausdehnen.

Privat teilt Sihanouk diese Bedenken zwar, aber er sieht sich nicht in der Lage, seinen Koalitionspartner zu isolieren. Wie Sihanouk einer sehr nahestehenden Person anvertraut haben soll, hofft der Prinz jetzt darauf, daß seine Schutzmächte - insbesondere die USA und die ASEAN -Staaten - bei der Konferenz mit einem entschlossenen Statement auftreten werden, dem er sich dann anschließen könnte.

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