: Anne Klein weist Vorwürfe zurück
■ Senatorin Anne Klein: Nur einmal gespielt / Problematische Seite des Spiels „verdrängt“ / Über Rückgabe des Spielgewinns noch nicht nachgedacht
An Rücktritt habe sie im Lauf der letzten Woche nicht gedacht, sagte Jugendsenatorin Anne Klein gestern, als sie zum ersten Mal persönlich zu ihrer Teilnahme am Pilotenspiel äußerte. Allerdings habe sie die „Hetzkampagne“ gegen sie „sehr verletzt“. Nachdem sie seit nunmehr einer Woche als „Zocker-Zora“ auf den Titelseiten stand, unterbrach sie ihren Urlaub und teilte Einzelheiten zu „diesem idiotischen Spiel“ mit. Gegen die „Hetzkampagne und Schlammschlacht“ der Presse ihr gegenüber wehrte sie sich zwar heftig, bestätigte aber im Kern viele der Informationen, die die CDU in der letzten Woche verbreiten ließ. Anne Klein: „Ich habe nichts zu verbergen.“
Sie habe 1987 an mehreren Treffen teilgenommen, auf denen für das Pilotenspiel geworben wurde, sagte sie. Gespielt habe sie allerdings nur eine komplette Runde. Den Einsatz von 3.000 Mark habe sie sich mit einer Bekannten geteilt, ebenso den Gewinn von 21.000. Zehn Prozent habe sie, wie es die Spielregeln vorsehen, an ein soziales Projekt gespendet. Welches, wollte sie nicht sagen. Die Spende wurde von der Steuer abgesetzt. Über die Rückzahlung des gesamten Gewinns zugunsten eines guten Zwecks habe sie bisher noch nicht nachgedacht, erklärte Klein.
Anne Klein versichterte, daß sie danach nur noch an einer Party teilgenommen habe, aber nicht mehr mitgespielt habe. Außer diesem einen Mal habe sie - ausgenommen Lotto - nie wieder um Geld gespielt. Auch an keinem dem Pilotenspiel ähnlichen Spiel, habe sie je wieder teilgenommen.
Als „Zocker-Zora“ aber will sich die Senatorin nicht bezeichnen lassen. Sie sei empört über die Behauptungen des CDU-Abgeordneten Wienhold, sie sei in Spielerkreisen bekannt. Aus heutiger Sicht bewertet sie das Spiel als „außerordentlich problematisch“. Ein „Partygag“ sei das damals gewesen, mit dem sich besserverdienende Leute einen „Nervenkitzel“ verschafft haben. Auch sie habe damals die Illusion gehabt, so die Senatorin, daß jeder wisse, worauf er sich einlasse. Daß am Ende der Kette zwangsläufig verlierer übrig blieben, habe sie „verdrängt“, sagte die Rechtsanwältin und Notarin. Wie andere AL-Mitglieder nannte die Senatorin das Spiel gestern einen „Spiegel der Gesellschaft“, wo unter dem Deckmantel des angeblich gleichen Risikos „oben abgesahnt und unten bezahlt wird“. In Richtung CDU sagte sie, Moral zeige sich nicht in lautstarken Kampagnen, die jedem Heuchler Gelegenheit gäben mitzuschreien. Moral zeige sich in der ehrlichen und differenzierten Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten und dem Verhalten der Gesellschaft.
Dieser Einschätzung schloß sich gestern nachmittag die Alternative Liste an. Parteivorstand und Fraktion sicherten Anne Klein „die volle Unterstützung“ zu. Der CDU rät die Liste, sich wieder den Sachthemen zuzuwenden. Der Vorhang in diesem Einakter sei gefallen. Das aber sieht die CDU ganz anders. Generalsekretär Landowsky meint, die Senatorin sei eine „Belastung für die Stadt“.
Staatsanwaltschaft prüft
„Völlig unbegründet“ nannte Senatorin Klein den Vorwurf des Parteiverrats, den derzeit die Staatsanwaltschaft prüft. Der Vorwurf lautet, sie habe sich während ihrer früheren Tätigkeit als Rechtsanwältin eines Parteiverrats schuldig gemacht. Klein soll in einer Ehescheidungsangelegenheit den einen Partner vertreten und den anderen unzulässigerweise beraten haben. Dem Vernehmen nach wurde der Vorwurf von einem Rechtsanwaltskollegen erhoben. Justizsprecher Achhammer erklärte gestern auf Nachfrage zum Stand des Verfahrens, die Staatsanwaltschaft am Kammergericht prüfe derzeit immer noch, ob ein Anfangsverdacht für die Eröffnung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens und/oder eines standesrechtlichen Verfahrens vorliege. Die Anzeige der Rechtsanwaltskammer trage das Datum vom 18.7. und sei am 26.7. bei der Geschäftsstelle der Staatsanwaltschaft eingegangen. Auf die Frage, wie häufig derartige Ersuchen von der Rechtsanwaltskammer gestellt werden, vermochte der Justizsprecher keine Zahlen zu nennen, schätzte jedoch „äußerst selten“.
bf/plu
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