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AB NACH ZÜRICH

■ Zukunftsperspektiven des Berliner Generalintendanten Götz Friedrich

Warum sollte es bei Opernintendanten im Prinzip anders zugehen als bei den Fußballtrainern? Der Zürcher Operndirektor Christoph Groszer wird 1991 in Pension gehen. Eine Wahlkommission für den Nachfolger entwickelte rechtzeitig ein Anforderungsprofil für den neuen Mann: Er muß Intendantenerfahrung vom Repertoiretheater mitbringen (kein Stagione-Zeremonienmeister sein), möge sich auf seine Aufgaben am schweizerischen Renommieropernhaus konzentrieren (und nicht eigenen Regieambitionen nachgehen), soll 1991/92 in Zürich antreten (und ein Interregnum vermeiden).

Durch eine Indiskretion des Gratisblatts 'Züri-Woche‘ wurde am zentralen Börsenplatz Europas bekannt, daß der Westberliner Opern- und Operettenchef (bis 196 unter Vertrag) „anscheinend wegen der neuen rot-grünen Regierung in Berlin sein Interesse an der Zürcher Bühne signalisiert“ ('Neue Zürcher Zeitung‘) und dort verhandelt habe. Verhandlungen wurden inzwischen dementiert - sowohl von der Berliner Kulturbehörde wie von Friedrichs Büro -, Informationsgespräche aber bestätigt.

Das Doppelpaßspiel des Strategen Götz Friedrich fand vor den Berliner Etatberatungen statt und im Hinblick auf die Absicherungswünsche des Generalintendanten. Fraglos gehört es zu den Aufgaben des Opernchefs, die ihm unterstehenden Betriebe finanziell optimal auszustatten oder wenigstens vor größeren finanziellen Einbußen zu bewahren. Auch wenn die Berliner Theater von der quer durch die Ressorts beabsichtigten Haushaltskürzungen um drei Prozent ausgenommen werden, ergibt sich durch die Inflationsrate dennoch eine Verminderung des Spielraums auch bei gleichbleibendem Haushaltsansatz. Auf seiner Jahrespressekonferenz Ende April hatte Friedrich nachdrücklich vor drohenden „Umgewichtungen“ im Haushalt gewarnt, „von ihm freilich in einen mißverständlichen Zusammenhang gebracht mit den neuen Aufgaben dezentraler Kulturarbeit“, wie die 'NZZ‘ bemerkte.

Insbesondere hatte der Generalintendant auch den vereinbarten Baubeginn des Erweiterungsbaus mit der Kammerbühne im Jahr 1992 eingefordert und die Versicherung seiner Vertragstreue mit einer Einschränkung versehen: „Solange die Geschäftsgrundlagen für meine Arbeit hier, auch was den Etat betrifft und die Zusagen für den notwendigen Erweiterungsbau, bestehen bleiben“, gedenke er seine Berliner Verträge zu erfüllen. Er pokert also um die vom alten Senat gegebenen Zusagen - und um die Verlängerung seiner Verträge über 1992, beziehungsweise 1996 hinaus. Die Kultursenatorin scheint ihn halten zu wollen, möglicherweise lebenslänglich; nach dem Karajanabgang soll wohl im Fall Friedrich Kontinuität demonstriert werden und ein immer noch hoch gehandelter Name weiter als Aushängeschild für Berlinkultur fungieren.

Aber auch der auf größere Zeiträume ausgelegten Opernarbeit tut gelegentlich ein Innovationsschub gut. Vom ästhetischen Konzept Friedrichs, das sich in den fünfziger Jahren ausprägte und das in den sechziger Jahren vor allem zu bemerkenswerten Regieleistungen führte, läßt sich wohl um die Jahrtausendwende kein modernes Musiktheater mehr erhoffen, zumal es schon in den siebziger Jahren erhebliche Verschleißerscheinungen zeigte. Der Umfang und die Art der „Nebentätigkeiten“ der Berliner Generalintendanten legen ohnedies nahe, über die Verträge nachzudenken.

Was wäre also dagegen einzuwenden, wenn Götz Friedrich seinen Altersruhesitz in der schönen Schweiz aufschlagen wollte? Wenig. Dort unten sind die Verhältnisse grundordentlich und gediegen das Ambiente, die Luft ist reiner, die Sonne lacht ein wenig mehr, und die Fränkli haben immer noch ihren silberhellen Klang. Die Findungskommission der Zürcher TheaterAG sollte sich ermuntert fühlen, mit dem Berliner Generalintendanten die begonnene Inszenierung fortzusetzen - auch wenn die 'NZZ‘ sie schon ein „Schmierentheater“ genannt hat. Wenig wäre verloren und viel gewonnen, wenn Götz Friedrich 1991 - ohne Interregnum in Zürich - am Utoquai nicht nur mit „Lohengrin“ die Jubiläumszeit eröffnen, sondern auch die Direktion übernehmen würde. Immerhin steht er dann bereits im 62. Lebensjahr.

Frieder Reininghaus

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