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Legal, illegal, ganz egal

Bundeswirtschaftsminister Haussmann läßt Ermittlungen wegen U-Bootplänen nicht zu  ■ G A S T K O M M E N T A R

Die Haussmann-Entscheidung, der Staatsanwaltschaft Kiel Ermittlungen gegen die Firmen HDW und IKL zu verbieten, ist konsequent. Die Bundesregierung will und kann ihre einmal eingeschlagene Linie zur Vertuschung des U-Bootskandals nicht mehr aufgeben. Zuviel steht inzwischen auf dem Spiel. Als eine seiner ersten Amtshandlungen hatte Bundeskanzler Helmut Kohl im Oktober 1982 grünes Licht für das illegale U -Bootgeschäft mit dem Apartheidstaat gegeben. Daß der Blaupausenexport einen gravierenden Verstoß gegen das UNO -Rüstungsembargo gegen Südafrika darstellen würde, war dem Kanzler damals gerade recht. Unter dem Zeichen der Wende auch in der Außenpolitik sollte der Südafrika-Deal zum Symbol einer veränderten Rüstungsexportpolitik werden. Als der Skandal dann im November 1986 aufflog, wollte Kohl erst recht ein Exempel statuieren.

Die Bundesregierung testet seitdem, ob ein derartiger Export trotz parlamentarischer Kontrolluntersuchung und Protesten der Vereinten Nationen als geheime Kommandosache fortgeführt werden kann. Der Öffentlichkeit wird erzählt, daß U-Bootgeschäft sei im Sommer 1985 gestoppt worden, tatsächlich gehen die Lieferungen jedoch mit Rückendeckung der Bundesregierung weiter. Die letzten Zweifel daran, daß Südafrika im Augenblick mit deutscher Hilfe U-Boote baut, hat Haussmann zerstreut. Denn die Staatsanwaltschaft Kiel sollte genau dieser Frage nachgehen. Aufgrund von im Dezember 1988 entdeckten geheimen Zusatzverträgen ergab sich der dringende Verdacht, daß HDW und IKL entgegen ihren eigenen Angaben tatsächlich die kompletten Konstruktionspläne für die südafrikanischen U-Boote geliefert hatten. Auch die offizielle Begründung Haussmanns für das Ermittlungsverbot verweist auf diese Fährte. Die „Fähigkeit der Bundesrepublik zu Rüstungskooperation, insbesondere mit Nato-Partnern“, sollte durch staatsanwaltschaftliche Ermittlungen ungefährdet bleiben.

Im Juni 1985 hatten HDW und IKL dem Vorgänger Haussmanns, Bundeswirtschaftsminister Bangemann, vertraulich mitgeteilt, daß sie die Absicht haben, „den Rest des Geschäftes über die Türkei abzuwickeln“, einen Nato-Partner der Bundesrepublik. HDW liefert seit 1988 U-Bootteile für den Bau von zwei U -Booten völlig legal an die Türkei. Möglicherweise hätte die Staatsanwaltschaft Kiel - und damit der U-Boot -Untersuchungsausschuß, der ein Akteneinsichtsrecht hat den eigentlichen Adressaten dieser Lieferungen feststellen können. Aber die Staatsanwaltschaft darf nicht ermitteln, weil die Bundesregierung bereits zu tief in den U -Bootskandal verstrickt ist.

Die eklatante Durchbrechung des Legalitätsprinzips durch die Entscheidung Haussmanns ist für die Regierung das kleinere Übel gegenüber den potentiellen Gefahren durch die Kieler Ermittlungen. Nicht nur der Bundeskanzler ist am illegalen U-Bootexport beteiligt, auch Finanzminister Waigel, Inneminister Schäuble, Verteidigungsminister Stoltenberg und Außenminister Genscher sowie Nato -Generalsekretär Wörner und EG-Kommissar Bangemann müssen um ihre Karriere fürchten, wenn irgend etwas über die Vorgeschichte um die geheime Fortsetzung des U -Bootgeschäftes an die Öffentlichkeit dringen sollte.

Reinhard Krämer, Mitarbeiter der Grünen im Bundestag für den U-Boot

Untersuchungsausschu

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