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■ Zeugen der Zeit: Pierre Frank, Trotzkist der ersten Stunde

(Zeugen der Zeit: Pierre Frank, Trotzkist der ersten Stunde, Mi., 22.35 Uhr, N 3) Ein rundes Plastiktischchen mit einem Mikrophon und einem Buch, dessen Titel die ganzen 45 Minuten lang nicht zu sehen war, drumherum auf drei Plastikstühlchen zwei verklemmte Interviewer und Pierre Frank, ein alter Mann mit lachendem Faunsgesicht.

Frank war 1929 aus der KPF hinausgeschmissen worden, 1932/33 lebte er in der Türkei beim exilierten Leo Trotzki und arbeitete als Sekretär und Bodyguard. Was er davor und danach getrieben hat, ja wer dieser Pierre Frank, jahrzehntelang führendes Mitglied der von ihm mitgegründeten IV. Internationale, war, darüber erfuhr man nichts.

Lutz Mahlerwein und Jean Pierre Hammer saßen auf den äußersten Rändern ihrer Stühlchen und fragten mit unschuldigem Augenaufschlag nach den Theorien von der Permanenten Revolution, vom Sozialismus in einem Land. Frank korrigierte: “'Sozialismus in einem Land‘ das war keine Theorie, sondern nichts als der Versuch, der miserablen Realität einen schönen Namen zu geben.“

Aber auch über die von Frank sein Leben lang gehegte Theorie der „Permanenten Revolution“ - der nimmermüde Klassenkämpfer und Verfasser einer Geschichte der IV. Internationale starb 1985 - erfuhr man nur, daß sie für die UdSSR und China gestimmt habe und daß sie wohl darum „für die meisten kolonisierten Länder“ Gültigkeit habe. Worin sie bestand, was sie erklären wollte, kein Wort davon.

Das ganze Gespräch war ein Musterbeispiel für gescheiterte Oral History. Persönlichen Fragen nach Trotzki wich Frank freundlich, aber bestimmt aus: „Es ist nicht die Frage, was er wollte, sondern wie die gesellschaftlichen Kräfte im Land standen.“ Er selbst war nicht Thema, für eine Theorie -Diskssion hielten wohl alle Beteiligten die Zuschauer für zu dumm, so bewegte sich das Gespräch in belanglosen Allgemeinheiten. Deren schönste war Franks Antwort auf die Frage Mahlerweins, ob Trotzki nicht gescheitert sei, eine tragische Figur also: „Nein. Trotzki sagte immer: Die Geschichte wird uns recht geben.“

A.W.