: Papandreou: Friedensengel und Waffenhändler
Drei parlamentarische Untersuchungsausschüsse befassen sich mit dunklen Machenschaften der Pasok-Regierung: Bestechung, abgehörte Telefone und Handelsbetrug /Ein Sonderausschuß untersucht obskure Waffengeschäfte / Katharsis-Betrieb auf Hochtouren ■ Aus Athen Robert Stadler
Für viele griechische Parlamentarier entfällt in diesem Jahr die ausgedehnte Sommerpause. Sie werden sich in einem von bisher drei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen den Kopf darüber zerbrechen, ob sie ehemalige Regierungsmitglieder der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (Pasok) „schuldig“ oder „nicht schuldig“ sprechen. Epizentrum bleibt die Affäre um den geflüchteten Bankier Giorgios Koskotas.
Ex-Premier Andreas Papandreou führt die Liste der Angeklagten an, ihm folgen vier Exminister - allen werden strafrechtliche Vergehen zur Last gelegt. Auf Antrag der konservativen Nea Demokratia und mit Unterstützung der Linkskoalition wurden neben dem Koskotasausschuß noch zwei weitere eingerichtet, die die illegale Überwachung von Telefonen während der acht Pasok-Jahre und den Verkauf von als „griechisch“ deklariertem jugoslawischen Mais auf dem EG -Markt untersuchen sollen.
Doch das sind noch nicht alle Untersuchungsausschüsse. Mit allen Abgeordnetenstimmen rief das Parlament den „Provisionsausschuß“ ins Leben, bei dem nicht nur die Pasok der „Kriminalisierung“ ausgesetzt ist. Bis zurück ins Jahr 1974 will man dunkle Provisionszahlungen beim Kauf von Waffen für die griechische Armee verfolgen und so auch eventuelle Illegalitäten früherer ND-Regierungen ans Tageslicht bringen, die allerdings schon teilweise verjährt sind.
Der bislang letzte Akt steht nächste Woche ins Land. Nur weil die Linkskoalition die Beweislast als zu gering einstufte, muß Papandreou dabei nicht zum dritten Mal als Angeklagter Nummer Eins auftreten. Auf Antrag der ND und abermals mit Unterstützung der Linkskoalition soll ein Sonderausschuß die Vorgänge rund um den „Jahrhundertkauf“ klären helfen. 1985 waren von der damaligen Pasok-Regierung französische Mirage-Abfangjäger und amerikanische F-16 zu vermutlich weit überhöhtem Preis erworben worden. Die ND schätzt den Schaden auf fast 2 Milliarden Mark. Nach einem Waffenhändler, der in der letzten Ausgabe des Politmagazins 'Anti‘ zitiert wird, soll Andreas Papandreou den Kauf der Flugzeuge nur mit dem Ziel abgewickelt haben, Provisionen zu kassieren.
Überhaupt scheint Papandreou im militärischen Bereich aktiv gewesen zu sein. Ein Journalist, der Giorgios Koskotas in seiner Zelle in den USA interviewt hatte, zitierte seinen Gesprächspartner diese Woche: „Koskotas selbst hat mir gesagt, daß Papandreou über die Mittelsmänner Kaschoggi, Louvaris und Asan Waffenhandel mit den Bestimmungsländern Iran und Irak betrieben hat.“ Teile der Provisionen seien in die Taschen Papandreous geflossen. Bleibt vom Bild des Friedensengels nur mehr das des Waffenhändlers übrig?
Dem erklärten Anspruch der Regierung Tzannetakis - getragen von der konservativen Nea Demokratia und der kommunistisch dominierten „Linkskoalition“ - die Katharsis des politischen Lebens in die Tat umzusetzen, scheint zumindest die Anzahl der Untersuchungsausschüsse genüge zu tun. Ob die Urteile noch vor den Neuwahlen im Oktober gesprochen werden können, weiß keiner zu sagen. Die Pasok läuft somit Gefahr, diese mit hängenden Verfahren bestreiten zu müssen, und die Katharsisparteien setzen sich dem Vorwurf aus, gerade das nicht verhindern zu wollen.
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