: WAA: Schlappe für den Staatsanwalt
25jähriger wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht / Staatsanwalt beantragte 20 Monate ohne Bewährung / Videos und Fotos als Beweise untauglich / „Typischer WAA-Prozeß“ / Die Polizeizeugen waren wie so oft vorbereitet ■ Von Bernd Siegler
Nürnberg (taz) - Lange Gesichter bei der Staatsanwaltschaft in einem der letzten WAA-Verfahren. Nach vier Verhandlungstagen mit 14 Polizeizeugen und zwei Gutachtern sprach das Schwandorfer Schöffengericht einen 25jährigen Nürnberger Studenten überraschend frei. Die Staatsanwaltschaft hatte dem WAA-Gegner vorgeworfen, sich durch mehrere Steinwürfe am 7. Juni 1986 am WAA-Bauzaun des schweren Landfriedensbruchs, der versuchten gefährlichen Körperverletzung und der versuchten Sachbeschädigung schuldig gemacht zu haben. In seinem Plädoyer hatte der Anklagevertreter, der sich nur auf Videoaufnahmen und Fotos gestützt hatte, eine 20monatige Gefängnisstrafe gefordert.
Am 7. Juni 1986, drei Wochen nach den schweren Auseinandersetzungen zwischen Polizei und WAA-Gegnern an Pfingsten, zogen trotz Verbots 30.000 Demonstranten zum Bauzaun. Sie wurden dort von mehreren tausend Polizisten und Wasserwerfern empfangen. Dokumentationstrupps der Polizei und des Bundesgrenzschutzes versuchten Steine werfende WAA -Gegner auf Video und Zelluloid zu bannen. Einer davon soll „zweifelsfrei“ der 25jährige Nürnberger gewesen sein. Die Videos zeigen jedoch nur einen mit roter Hose und brauner Lederjacke bekleideten Mann, der zunächst an der Kamera vorbeischlendert, anschließend einen ähnlich gekleideten Mann, der Gegenstände wirft. Die Polizeifotos zeigen einen wiederum ähnlich gekleideten Mann, der sich mit einer Frau unterhält - „in Wurfpausen aufgenommen“, so bekräftigen zwei Polizeizeugen. Nach einem Jahr glaubte das ermittelnde Landeskriminalamt schließlich, mit dem 25jährigen Studenten den fraglichen WAA-Gegner gefunden zu haben.
Um die Identität von Täter und Angeklagtem zu beweisen, bot die Staatsanwaltschaft zwei Gutachter auf. Daß es LKA -Beamten der Behörde waren, die auch mit den Ermittlungen beauftragt war, störte den Anklagevertreter nicht. Während ein Textilgutachter von der Gleichheit der Jacke überzeugt war, konnte ein Anthropologe bezüglich Statur und Bewegungsablauf des Angeklagten nicht zu einem eindeutigen Ergebnis kommen.
Während den Polizeizeugen im laufenden Ermittlungsverfahren mehrfach die Videobänder vorgespielt worden waren, verweigerte das LKA dem Verteidiger des WAA-Gegners entgegen eindeutiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshof, sich eine Kopie von den Videos zu ziehen. Rechtsanwalt Schwinghammer nannte das Verfahren ein typisches Beispiel dafür, „wie seit Beginn der WAA-Prozesse kontinuierlich der Schutz der Polizeibeamten ausgeweitet und in gleichem Maße die Rechte der Angeklagten eingeschränkt wurden“. Alle Polizeizeugen hatten zudem ihre Aussageprotokolle dabei und offensichtlich auswendig gelernt.
Aufgrund der nicht nachweisbaren Identität zwischen dem Angeklagten und den abgebildeten Tätern hatte der Anwalt Freispruch beantragt.
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