: Jugendliche als Spitzel
■ Münchner Polizei wirbt unter Drohungen minderjährige Drogenabhängige zu Spitzeldiensten an / Jugendliche und Anwälte erheben öffentlich Vorwürfe
München (taz) - „Werden minderjährige Drogenabhängige als Polizeispitzel eingesetzt?“ Diese Frage beschäftigte die Rathausfraktion der Münchner Grünen seit langem. Gestern nun konnten die Grünen den Beweis dafür antreten. „Der LKA -Beamte fragte mich, ob ich nicht Lust hätte, so ein Geschäft zu machen“, erklärte der inzwischen 16jährige Frank W. vor Journalisten.
Frank war als 15jähriger von Scheinaufkäufern des Landeskriminalamts (LKA) in einen Drogendeal verwickelt worden. Nach seiner Festnahme versuchten die Beamten ihn zu Spitzeldiensten zu „überreden“. Er sollte bei einem anderen Drogendealer 500 LSD-Trips kaufen, um diesen zu überführen. Ansonsten sähe es für ihn schlecht aus, drohte ihm der LKA -Beamte Daumann. Franks Eltern wurden über diese Machenschaften selbstverständlich nicht unterrichtet. Zum Glück konnte Franks Anwalt, Kai Wagler, seinem Mandanten beistehen, so daß dieser unrechtmäßige Anwerbeversuch verhindert wurde.
Einen weiteren Fall schilderte gestern der Münchner Anwalt Herrmann Borchert. Sein inzwischen 17jähriger Mandant war ebenfalls vom LKA angeworben und unter Druck gesetzt worden. Der Jugendliche hat vor wenigen Tagen eine Lehre begonnen. Um seinen Arbeitsplatz nicht zu gefährden, wollte er nicht persönlich vor den Journalisten aussagen.
„Das LKA versucht offensichtlich, 15jährige in der Rauschgiftszene zu halten“, betonte Wagler gestern nochmals. Bereits vor drei Wochen hatte er auf einer Pressekonferenz der Grünen diesen Vorwurf geäußert. Da er jedoch noch an die Schweigepflicht gebunden war, konnte er den handfesten Beweis nicht antreten. Den Sozialarbeitern, die damals ebenfalls über derartige Fälle berichten wollten, verpaßte der Münchner Sozialreferent Fortsetzung auf Seite 2
Hans Stützle (CSU) einen Maulkorb: Sie durften an der Pressekonferenz nicht teilnehmen. Zu diesem Zeitpunkt hatte Stützle auf eine Anfrage der Grünen aber bereits zugegeben, daß es in letzter Zeit „einige Fälle“ gegeben habe, „in denen jugendliche Drogenkonsumenten unter Zusicherung der Straffreiheit von der Polizei zu Spitzeldiensten angeworben worden seien“.
Luitgard Koch
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