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Turbulenzen zwischen Bonn und Berlin

■ Heftiger Streit um geplante Kürzung des Linienflugplans / Berliner Senat über Indiskretion der Bonner Regierung empört / 15 Prozent sollen gestrichen werden / Die Flieger sind nur zu 50 Prozent ausgelastet

Berlin (ap/taz) - Der Plan des rot-grünen Berliner Senats, täglich 36 Flüge von und nach Berlin zu streichen, führte gestern innerhalb kürzester Zeit zu einer scharfen Kontroverse zwischen Bonn und Berlin. Verkehrssenator Horst Wagner warf in Berlin der Bundesregierung eine „schwere Störung der vertrauensvollen Zusammmenarbeit“ vor. Sie hatte den Berliner Vorschlag in Bonn vorzeitig bekanntgegeben. Die Berliner Senatorin für Bundesangelegenheiten, Heide Pfarr (SPD), kanzelte etwa zeitgleich den Bonner Regierungssprecher Schmülling ab: Er solle in Sachen Berlinflüge erst einmal Nachhilfeunterricht nehmen.

Schmülling seinerseits nannte den Vorschlag des rot-grünen Senats „etwas grotesk“. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und des Umweltschutzes dürften für ihn die speziellen Berliner Interessen auf keinen Fall vernachlässigt werden.

Verkehrssenator Horst Wagner verteidigte die geplanten Streichung mit der geringen Auslastungsquote auf den Luftwegen. Sie sei von 1987 bis 1989 von 61,5 Prozent auf 51,2 Prozent gesunken. Angestrebt werde eine „Normalisierung und eine Anpassung von Angebot und Nachfrage“ und damit eine Entlastung der lärmgeschädigten BewohnerInnen Berlins.

Erbost zeigt sich der Berliner Senat vor allem darüber, daß das Schreiben von Bundessenatorin Pfarr vorzeitig veröffentlicht und „in einer Weise kommentiert“ worden sei, daß sachliche Gespräche erschwert würden. „Es kann keine Rede davon sein, daß der freie Zugang zu der Stadt beeinträchtigt werden könnte“, hielt die SPD-Senatorin Pfarr der Bonner Kritikerrunde entgegen: „Berechtigte ökonomische Interessen“ der Luftverkehrsgesellschaften würden bei den Streichungen nicht verletzt.

In Bonn dagegen wandte sich die Bundesregierung gegen den „drastischen Abbau“ der Flugverbindungen und kündigte Gespräche mit den westlichen Alliierten an. Schmülling erklärte, der Flugverkehr habe als einziger unkontrollierter Zugangsweg zur Stadt besondere Bedeutung. Der Sprecher des Bundesverkehrsministeriums, Michael-Andreas Butz, wies die Berechnungen über die Auslastung der Flüge als „völlig unseriös“ zurück. Für ihn ist die Kapazität mit generell mehr als 50 Prozent sogar „sehr gut“ ausgelastet.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Rudolf Kraus, orakelte sogar, daß der Senat Berlin „wieder ein Stück mehr vom Wohlwollen der DDR-Machthaber abhängig machen“ wolle. Der Vorschlag trage eindeutig die Handschrift der Grün-Alternativen, die Berlin zu einer von der Bundesrepublik abgekoppelten Insel machen wollten.

wg

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