: DDR-Fußball fährt auf internationalen Geleisen
Viel Langeweile beim erstmals ausgetragenen Spiel Meister (Dresden) gegen Pokalsieger (Berlin) - 1:4 ■ PRESS-SCHLAG
Das konnte ja auf Dauer gar nicht ausbleiben. Ein Land, dessen gesellschaftliche Entwicklung außer vom Marxismus vor allem vom Wunsch vorangetrieben wird, internationales Niveau zu erreichen, ohne Super-Cup? Wo sie doch alle darum kicken, in England sowiewo schon lange Meister gegen Pokalsieger (Supercup), in Europa der Finalesieger der Landesmeister gegen den der Pokalsieger um den Supersupercup, und auf Weltniveau der Südamerikameister gegen den europäischen Landesmeistergewinner um eine Art Supersupersupercup, Weltcup geheißen.
Seit Samstag also mischt auch die DDR mit im Supergeschäft. Das wie international üblich niederschmetternd häßliche Stück (nein, nicht Metall, sondern Glas), um welches Meister Dynamo Dresden und BFC Dynamo Berlin (Pokal) erstmals rangen, nennt sich Pokal des Deutschen Sportechos. Westlichen Besuchern dürfte diese realsozialistische Version des 'Kicker‘ weitgehend unbekannt bleiben, denn im Gegensatz zur Parteizeitung 'Neues Deutschland‘ ist das Sportecho an den Kiosken superschnell vergriffen.
Und wie gierig waren sie, die Fans, nach den wenigen langen Wochen der Sommerpause! Das „Stadion der Freundschaft“ in Cottbus bereits Tage vorher ausverkauft, warten 22.347 auf die Einlösung all der Versprechungen nach einem „spektakulären Saisonauftakt“ ('Junge Welt‘), „fließenden Kombinationen und durchgängigem Angriffsfußball“ ('Neues Deutschland‘) und einem „mitreißenden, stimmungsvollen Debüt“ ('Sportecho‘). Und dann mußten sie sich trösten damit, wenigstens fünf Tore gesehen zu haben.
Und eine Überraschung. Weil ja nun wirklich nicht damit zu rechnen war, daß die dominierende Mannschaft der vergangenen Saison mit 1:4 verlieren würde. Da haben die Dresdener vom ersten bis zum letzten Spieltag die Tabelle angeführt, letztlich mit acht Punkten Vorsprung die Meisterschaft geholt und damit die zehn Jahre währende Vorherrschaft des BFC Dynamo gebrochen, im Europapokal Aberdeen, Waregem, AS Rom und Victoria Bukarest ausgeschaltet und erst beim VfB Stuttgart passen müssen, war ihnen bescheinigt worden, den unterhaltendsten Fußball der DDR zu spielen - und dann so ein Krampf am Samstag.
Ganze 23 Minuten hat es gedauert, bis einer der Torhüter erstmals den Ball in die Finger bekam, auch nach dem 0:1 (30.) tat sich lange nichts. Wenn schon ein Publikum wie das Cottbusser, dem eine Begeisterungsfähigkeit wie bei St.Pauli nachgesagt wird, sich zu langweilen beginnt, und die Journalisten über „zuviel Taktik“ murren. Aber dann landet der Ball in der letzten halben Stunde wenigstens noch viermal im Netz. 1:4, wie im Westen (Dortmund) hat auch in der DDR der Pokalsieger gewonnen.
Es sollte die Fußballfans der DDR nicht grämen, das mäßige Niveau. Spiele um irgendwelche Supersupercups zeichnen sich seit Jahren geradezu aus durch mäßige Unterhaltung, und Bayern München - Borussia Dortmund war nicht mehr als ein Ausrutscher. Weshalb der DDR-Fußball in Cottbus wider Willen in die geforderten Hauptgleise des internationalen Standards ('Neues Deutschland‘) eingefahren ist.
Thömmes
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