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Nichts fragen, nichts hören?

Zur Korea-Reise eines AL-Funktionärs  ■ K O M M E N T A R

Man stelle sich vor, ein Berliner CDU-Funktionär führe nach Chile oder Südafrika, um seinen Kotau vor den dortigen Machthabern zu machen. Die Reaktion bei der Alternativen Liste - würde die Reise bekannt - läßt sich mühelos ausmalen: Die Schelte wäre heftig, das Vokabular ebenso markig wie bekannt, und über den Einzelfall hinaus würde der AL der Vorfall trefflich ins Bild passen, um die gesamte CDU wieder einmal in die rechte Ecke zu stellen.

In den eigenen Reihen ist die AL nicht so pingelig. Die Reise des ALers Ismail Kosan nach Nord-Korea belegt nicht zum ersten Mal, daß für die AL längst nicht jene Maßstäbe gelten, die bei anderen selbstverständlich angelegt werden. Sichtbar wird bei der Behandlung dieser Reise vielmehr eine bestürzende Mischung aus Fahrlässigkeit und fehlender Sensibilität. Nicht nur die Tatsache, daß ein langjähriges AL-Mitglied bereit ist, sich von dem stalinistischen Sonnenkönig für eine Propagandaschau einspannen zu lassen, ist bemerkenswert. Ein alarmierenderes Zeichen ist die Behandlung des Reiseprojekts durch die Partei selbst, die einen Hier-kann-jeder-machen-was-er-will-Zustand ahnen läßt. Weder der zuständige Bereich noch der Parteivorstand kam auf den Gedanken, über das Projekt so zu diskutieren, wie das von einer Partei zu erwarten ist: politisch. Die naheliegende Frage: Können und wollen wir das unterstützen, blieb ungestellt. Man mag sich überhaupt nicht vorstellen, was passiert wäre, wenn die beantragte Finanzhilfe für die AL-Kasse problemlos gewesen wäre.

Die Art, wie die Alternative Liste meint, politische Moral gelte nur für andere Parteien, hat sie schon bei der Behandlung des Pilotenspiels ihrer Frauensenatorin auf bedenkliche Abwege geführt. Auch die Korea-Reise ist mehr als eine Posse über eine unkoordinierte Partei. Die AL ist kein obskurer Hinterzimmer-Zirkel mehr, sondern eine Regierungspartei. Das setzt Anforderungen, die über die politische Unreife einzelner Mitglieder hinausgehen. Die AL hat deutlich zu machen, wo die Grenzpfosten ihrer politischen Identität sitzen. Verzichtet sie darauf, braucht sie sich nicht zu beklagen, wenn sie falsch verstanden wird.

Gerd Nowakowski

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