Klingbeil-Gruppe entdeckt Herz für Behinderte

■ Nach der zweiten Besetzung am Wochenende liegt nun ein Bauantrag für das leerstehende Fabrikgebäude in der Weserstraße 39 vor / Nutzungskonzept war schon lange vorbereitet, behauptet Klingbeil-Sprecher / CDU-Bürgermeister: „Besetzung gab den Ausschlag“

Seit gestern morgen liegt beim Bezirksamt Neukölln ein Bauantrag für die Umgestaltung des bislang zum größten Teil leerstehenden Fabrikgebäudes in der Weserstraße 39 vor. Der Besitzer, die Klingbeil-Gruppe, will in dem umstrittenen Objekt nun eine Wohnanlage für Behinderte mit angeschlossener Werkstatt einrichten. Diese Planung läuft zusammen mit „Mosaik“, einem Verein, der sich mit Einrichtungen für Behinderte beschäftigt. Mit dem Bauantrag reagierte die Klingbeil-Gruppe nun auf die erneute Besetzung des Hauses am Freitag letzter Woche.

Das Fabrikgebäude war im April zum ersten Mal besetzt worden und stand nach einer Räumung wieder leer, nur einige Räume sind als Werkstätten oder Ateliers vermietet. Damals hatte Klingbeil angekündigt, das Haus zu einem Aussiedlerwohnheim umzubauen. Dieser Plan scheiterte jedoch am Widerstand der Bezirksverordnetenversammlung Neukölln.

Das neue Nutzungskonzept sei bereits seit längerem vorbereitet worden, erklärte Axel Guttmann, Mitinhaber der Klingbeil-Gruppe. Es sei just am Freitag fertig geworden, behauptet er. Hätten sich die Besetzer, in seinen Augen „Chaoten“ die Mühe gemacht, ihn anzurufen, hätte, so Guttmann, der ganze Ärger vermieden werden können. Denn er hätte ihnen erklären können, daß umfangreiche Planungen und um solche handele es sich bei dem Nutzungskonzept - eben immer ein bißchen Zeit bräuchten. Er habe den Bauantrag noch am Freitag einreichen wollen, aber leider sei es zu spät gewesen. Er habe dies jedoch selbstverständlich am Montagvormittag nachgeholt.

Zumindest das stimmt aber nicht, denn der Antrag ging erst gestern früh beim Bezirksamt ein. Höchste Zeit, wie der stellvertretende Bezirksbürgermeister Bodo Manegold (CDU) findet: „Ich bin der Auffassung, daß dieses Grundstück schon zu lange ungenutzt daliegt. Das können wir uns in der heutigen Zeit nicht leisten, wo jeder Quadratzentimeter für den Wohnungsbau genutzt werden muß.“ Wäre der Antrag der Klingbeil-Gruppe nicht innerhalb der nächsten Woche eingegangen, wäre das Bezirksamt aktiv geworden: „Man hätte eventuelle Sofortmaßnahmen ergriffen, um dort Aus- und Umsiedler unterzubringen.“ Nun liege ja, nicht zuletzt auf Betreiben der Besetzer, ein sinnvolles Nutzungskonzept vor. Manegold: „Diese Besetzung ist wohl der Auslöser gewesen, um dort auf einmal hellwach und tätig zu werden.“

Für die derzeitigen Nutzer der Weserstraße 39, die einige der Räume als Ateliers nutzen, ist diese Wendung allerdings alles andere als erfreulich. Denn sie hätten ganz andere Pläne gehabt. Ihnen schwebt eine Instandsetzung der Räume durch die Nutzer und dann Vermietung als kombinierte Wohn und Arbeitsfläche vor. Dafür wurde sich das Haus hervorragend eignen. Doch mit diesen Träumen dürfte es vorbei sein, denn wenn der Bauantrag geprüft und genehmigt ist, werden wohl auch die wenigen Nutzungsverträge, die für die Weserstraße 39 bestehen, aufgelöst werden.

Cornelia Haring