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Der intergalaktische Tausendsassa

■ Vom Weltraumforscher zum Sience-Fiktion-Autor Die unglaubliche Biographie des Geburtshelfers der Satellitentechnik, Arthur C.Clarke

„Dave, tu's nicht. Laß es sein. Bitte. Dave, hör auf mich. Ich habe Angst Dave. Mein Gedächtnis schwindet. Daran besteht kein Zweifel. Ich spüre es. Ich habe... Angst.„

Wahren Sience Fiction-Kennern klingen diese letzten Worte aus dem Film 2001: Odyssee im Weltraum, mit denen der abtrünnig gewordene Supercomputer HAL den Discovery -Astonauten Dave Bowman um sein „Leben“ bittet, sicher noch gut in den Ohren. Das Drehbuch zu dem Film, der den Fans 1968, ein Jahr vor der Mondlandung, wie die reinste Götterspeise herunterging, schrieb zusammen mit Kubrick ein gewisser Athur Charles Clarke. Als Weltall-Propagandist, Tiefseeforscher, Kommunikationsexperte, Futorologe und Autor hat er 15 Novellen, 200 Kurzgeschichten und 26 Sachbücher veröffentlicht; doch erst mit dieser filmisch perfekten Weltraumodyssee wurde sein Name populär. Über die technischen Tricks - 2001: Odyssee im Weltraum wurde 1968 für seine noch nie dagewesenen Spezialeffekte mit einem Oskar ausgezeichnet - sagte Arthur C. Clarke damals, daß jeder, der es in Zukunft besser machen wolle, wohl „on location“, also direkt im Weltraum drehen müsse.

Wer ist nun der Mann, der nicht nur den Stoff für einen der erfolgreichsten Science Fiction-Filme schuf, sondern auch den Kalinga Preis der Unesco für wissenschaftliches Schreiben, den Playboy Editorial Award und den Bradford Washington Award des Bostoner Wissenschaftsmuseums bekam und im Alter von 28 Jahren den geostationären Orbit errechnete? Das Multitalent

Arthur C.Clark wurde am 16.12. 1917 in Minehead, einem kleinen Dorf in England, geboren. Schon als Kind las er alle Fantasy- und Science-Fiction-Geschichten, die er nur finden konnte. Als Jugendlicher ging er nach London, wo er Gleichgesinnten begegnete und begann, Physik und Mathematik zu studieren. Seine sowohl wissenschaftlichen als auch literarischen Auseinandersetzungen über Vergangenheit und Zukunft, Erde und Weltall, Geist und Materie oder Natur und Technik veröffentlichte er zu dieser Zeit über die britische Interplanetarische Gesellschaft oder in SF-Fan-Literatur. Während des Zweiten Weltkrieges experimentierte er mit der noch in den Kinderschuhen steckenden Radartechnik und beschrieb 1945 bereits die heutige Situation im All. Nach seinem Studienabschluß begann er mit dem Verkauf seiner Literatur, schrieb wissenschaftliche und Prosawerke en gros und wurde dreimal zum Präsidenten der Britisch Astronomical Association (BAS) gewählt. In den 50er Jahren erreichte er den Gipfel seiner Produktivität: Er veröffentlichte acht Novellen, vier Kurzgeschichtensammlungen und zehn Sachbücher über das Weltall und das Meer.

Das Multitalent Clarke begnügte sich jedoch nicht mit dem Forschen und Schreiben, sondern verdingte sich auch als Kommentator und Moderator für die BBC und amerikanische Sender. Lange bevor das Apollo-Programm startete, moderierte er von Zeit zu Zeit gemeinsam mit dem berühmten amerikanischen Ansager Walter Cronkite Fernsehsendungen über Weltraumreisen und andere Science-Fiction-Phantasien aus seinen eigenen Büchern. Vorliebe für Dissidenten

Seine große Leidenschaft gehört nach einer unglücklichen Ehe der Insel Sri Lanka, wo der heute 71jährige seit über 30 Jahren, von kurzen Unterbrechungen abgesehen, lebt. 1968 verbrachte er fast das ganze Jahr in einem Hotelzimmer in New York, wo er Stück für Stück das Gerüst für Kubricks 2001 zusammenzimmerte. 20 Jahre später schrieb er die Fortsetzung 2010: Odyssee zwei, die eine weitere Vorliebe des Briten zu Tage förderte: Er widmete das Buch dem damals noch verbannten Nobelpreisträger Andrej Sacharow und gab all seinen Protagonisten die Namen sowjetischer Regimegegner. Die Weltraumabenteuer, in denen russische Kosmonauten und US-Astronauten gemeinsam ein wissenschaftliches Problem im Bereich der Jupitermonde klären sollen, wurden vom Moskauer Wissenschaftsmagazin 'Technika-Molodjoschi‘ abgedruckt. Die Übersetzer und Zensoren müssen scheinbar derart von Clarkes Abenteuern in Bann gezogen worden sein, daß ihnen die ungewöhnliche Namensgebung entging.

Athur C.Clarkes literarische Fähigkeiten sind in den letzten Jahren immer wieder gewürdigt worden. Doch seine bahnbrechendste Theorie, nämlich die Errechnung des geostationären Orbits, die die heutige Satellitentechnik erst ermöglichte, wird in diesem Zusammenhang nie erwähnt. Nur in Insiderkreisen redet man gelegentlich fast liebevoll von „Clarkes Orbit“.

Marina Schmidt

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