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Einzig anerkannte Minderheit-betr.: Sorben-Artikel, taz vom 4.7.89

Betr.: Sorben-Artikel, taz vom 4.7.89

Während mich an der taz beeindruckt, daß man sie schon am Vorabend ihres Erscheinens am Ku'damm kaufen kann, habe ich mich über den Sorben-Artikel geärgert. Die Reportage von Wolfgang Kramer gibt subjektive Eindrücke wieder, sie erfüllt ihre Aufgabe. Aber der „informierende“ Artikel von Rüdiger Rosenthal ist eine Katastrophe. Nicht jeder, der aus der DDR kommt, ist automatisch in DDR-Fragen kompetent...

Was heißt „einzige anerkannte“ Minderheit? Sieht Herr R. noch weitere, nicht anerkannte? Vielleicht die 30.000 Polen? Die „grünen Blätter“ sind Lindenblätter, was nicht ganz ohne Bedeutung ist. Mit „1.000jährigem Siedlungsgebiet“ soll wohl gemeint sein, daß die Elbslaven vor 1.000 Jahren noch nicht assimiliert waren, aber die Option auf einen eigenen Staat damals verloren. (Sie siedeln in dem Gebiet seit dem 6. Jahrhundert.) Der Sitz der Domowina ist seit 1945 in Bautzen (nicht Hoyerswerda). Und mit dem autonomen Anschluß war es weit komplizierter (ihn betrieb der „Nationalausschuß“ etc.)

„Etwa 100.000 Sorben“ wiederholt Herr R. die offiziellen Angaben, ohne die Zahl der native speakers wenigstens versuchsweise zu recherchieren. (Die Schätzungen schwanken zwischen 25.000 und 40.000.) „Einige Gemeinden haben“ ist schlicht Unfug. Kleine Dörfer haben manchmal nur Sorben, ansonsten ist es höchst differenziert. Wesentlich ist, daß die Sorben selbst in ihren Heimatkreisen, aufs Ganze gesehen, in der Diaspora sind. Herr R. zitiert ein Altsorbisch von vor 100 Jahren. Es gibt aber eine kodifizierte (ober- und nieder-)sorbische Schriftsprache: „W mjenje Wotca a Syna“ (so obersorbisch). „Die alten Trachten“ weden von älteren Frauen in einigen Dörfern noch täglich getragen. Ich empfehle das „Trachtenbuch“.

Wohin hätte Herr R. denn gern die Bautzener Knäste? Nach Moabit würde er wohl nie ziehen, wie? Als wirklichen Sorben -Kenner in West-Berlin empfehle ich den Lehrer Martin Pernack.

Dr. phil Dietrich Scholze, DDR

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