: Bonn schafft Eltern zweiter Klasse
Familienministerium streicht Erziehungsgeld für De-facto-Flüchtlinge / Neues Erziehungsgeldgesetz bringt Verbesserung für deutsche Eltern und Null-Leistung für Flüchtlinge ■ Von Vera Gaserow
Berlin (taz) - „Verlängerung und Verbesserung von Erziehungsgeld in Kraft getreten“ - lautete die frohe Botschaft aus dem Bundesfamilienministerium, als am 30. Juni der Bundesrat die Novellierung des Erziehungsgeldgesetzes absegnete. Eine einschneidende Änderung verschwieg das Ministerium allerdings und sie blieb bisher fast unbemerkt: Für ausländische Flüchtlinge wird das Erziehungsgeld ab 1. Juli '89 gänzlich gestrichen.
Hintergrund dieser klammheimlichen Sozialstreichung sind zwei Urteile des Bundessozialgerichts. Ende 1987 hatten die Richter festgestellt, daß es keine Rechtsgrundlage gebe, Flüchtlingen das Erziehungsgeld grundsätzlich zu verwehren. Zumindest die sogenannten De-facto-Flüchtlinge, die aus humanitären Gründen nicht abgeschoben werden, und Asylbewerber, die aller Voraussicht nach weiterhin in der Bundesrepublik geduldet würden, hätten einen Anspruch auf die monatlichen 600 Mark nach der Geburt ihres Kindes. Das Bundesfamilienministerium mußte daraufhin zähneknirschend seine eigenen Richtlinien ändern. Den beiden Flüchtlingsgruppen wurde das Geld nun zugestanden, wenn die ausländischen Eltern sich schon mindestens ein Jahr lang in der BRD aufhielten.
Mit der jetzt verabschiedeten Änderung des Erziehungsgeldgesetzes hat das Ministerium diese Richtlinie wieder aufgehoben. In Paragraph eins ist nun klar festgelegt, daß ausländische Eltern nur noch dann einen Anspruch auf Erziehungsgeld haben, „wenn sie im Besitz einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis sind, die nicht nur für einen bestimmten, seiner Natur nach vorübergehenden Zweck erteilt worden ist“. Eine solche Aufenthaltserlaubnis bekommen Asylbewerber und De-facto -Flüchtlinge jedoch nicht. Folglich gehen sie ab sofort beim Erziehungsgeld leer aus.
Im Bonner Familienministerium hat man für diese Einteilung in Eltern zweier Klassen eine bestechende Begründung: Erklärtes Ziel des Erziehungsgeldes sei, Eltern zur Aufgabe der Berufstätigkeit und zur Kindererziehung zu motivieren. Und da Flüchtlinge einem Arbeitsverbot unterliegen, hätten sie ja gar keinen Arbeitsplatz, den sie aufgeben könnten. Nur: In dem Gesetz selber steht kein einziges Wort darüber, daß das Erziehungsgeld nur bei Aufgabe der Berufstätigkeit gezahlt wird und Hausfrauen, SozialhilfeempfängerInnen und Arbeitslose, die ebenfalls keinen Job aufzugeben haben, beziehen problemlos die monatlichen 600 Mark. Die Botschaft aus Bonn, so kommentiert die Bundesarbeitsgemeinschaft für Flüchtlinge, „Pro Asyl“, die Gesetzesänderung, laute: „Flüchtlingskinder sind minderwertiger.“
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