: „Republikaner“ auf der Kanzel - abkanzeln?
■ Ausbildungsvikar war bis vor kurzem Vizevorsitzender der Reps in Baden-Württemberg / 19 Kurskollegen und -kolleginnen fordern in einem offenen Brief an den Oberkirchenrat eine Stellungnahme zum „völkischen Egoismus“ der Rechtsradikalen / Sie fragen, ob Pfarramt und Rep-Mitgliedschaft miteinander vereinbar sind
Nicht nur die jüngsten Wahlerfolge der Republikaner machen eine gründliche Beschäftigung mit ihren Positionen erforderlich. Zu einer tiefgehenden Auseinandersetzung mit dieser Partei sehen wir, die Vikare und Vikarinnen der Subregion Südost I, uns nun ganz konkret dadurch herausgefordert, daß unser Kollege Johannes Wendnagel, Vikar in Bissingen/Teck, Parteimitglied bei den Republikanern ist und bis vor kurzem ein leitendes Amt, nämlich das eines stellvertretenden Landesvorsitzenden der Republikaner in Baden-Württemberg, innehatte. Eine gründliche Analyse der Aussagen der Partei ergab erschreckende Beobachtungen und grundsätzliche Anfragen. Im folgenden soll dies an zwei Punkten exemplarisch aufgezeigt werden.
Fatales Nationaldenken
1. „Andere Völker achten wir, Deutschland aber lieben wir.“ (1) Dieser Leitsatz der Republikaner, der auf den ersten Blick den Eindruck von Toleranz bei gleichzeitiger Verbundenheit mit der Heimat weckt, entpuppt sich nach der Betrachtung weiterer Aussagen der Republikaner als Ausdruck eines fatalen National- und Volksdenkens.
„Andere Völker achten wir“ - das heißt: Achtung bei klarer Betonung der Höherwertigkeit der Deutschen. Dies zeigt sich an der Einstellung der Republikaner zu den Entwicklungsländern. Für die Republikaner ist „das sogenannte 'Nord-Süd-Gefälle‘ (...) kein Problem von 'reich und arm‘ (...). Es ist die natürliche Folge des Unterschieds von Entwicklungsstand und Willens- und Bewußtseinshaltung.“ (2)
„Deutschland aber lieben wir“ - das meint nach dem Bundesparteiprogramm: „Die Republikaner als eine deutsche Partei setzen sich für das Lebensrecht und die Menschenrechte für alle Deutschen im Sinne des Grundgesetzes ein“ (2) - wohlgemerkt: aller Deutschen, nicht aller Menschen. Und weiter: „Erhaltung des Bestandes und der Gesundheit des deutschen Volkes und seines ökologischen Lebensraumes“ ist „vorrangiges Ziel der Innenpolitik“ (2). „Die Bundesrepublik Deutschland (...) muß das Land der Deutschen bleiben.“ (2)
Erschreckende Nähe zu völkischer Ideologie
Wird das deutsche Volk in einer solchen Weise über alles gestellt, so hat das Konsequenzen für die Haltung gegenüber Ausländern und Asylanten: „Ausländer sind Gäste“, womit „unbefristete Arbeitsverträge und Konzessionsvergaben, Daueraufenthalt, Familienzusammenführung und Sozialleistungsansprüche“ ausgeschlossen sind (2). „Freiwerdende Arbeitsplätze“ sollen „zuerst deutschen Arbeitnehmern angeboten werden“ (1). Gegen „den Mißbrauch des Asylrechts“ sollen „Schnellrichter an der Grenze“ (3) eingesetzt und der Straftatbestand „Asylbetrug“ (3) eingeführt werden. „Deutschland darf kein Einwanderungsland werden“ - wer den Gedanken einer „multikulturellen Gesellschaft“ vertritt, der „will die Bundesrepublik entdeutschen“ (4). Ausländerschutz hat für die Republikaner auch etwas mit Umweltschutz zu tun insofern, als das „Grundproblem aller Umweltzerstörung (...) die Überbevölkerung unseres Lebensraumes“ ist, in den „nun auch noch massenhaft Ausländer drängen“. Ihnen fehlt wegen der mangelnden „innere(n) Bindung an diesen Raum“ das nötige Umweltbewußtsein, und darüber hinaus bedrohen sie durch ihr „Geburtenverhalten“ oder, mit einer anderen Formulierung, durch den „Kampf mit den Wiegen“ den Bestand des deutschen Volkes als Ganzes. (5)
Doch nach den Republikanern gibt es ein „unverbrüchliche(s) Recht eines Volkes auf sein Land“, wie jedes andere Lebewesen in der Natur „um die Erhaltung seines Reviers (...) kämpft“. Darin besteht die „Ordnung des Lebens“, die von Gott geschaffen und also auch so gewollt ist. Sie ist zerstört, weil das deutsche Volk durch „uferlose Vergangenheitsbewältigung (...) seinen Lebenswillen verloren“ hat und durch den Bevölkerungsschwund und Ausländerzustrom eine widernatürliche „Selbstausrottung“ betreibt. Diese „Ordnung des Lebens“ wollen die Republikaner wiederherstellen. (6)
Hier zeigt sich: Zur Legitimation des nationalen Egoismus und des entwürdigenden Umgangs mit Ausländern wird eine Art von Schöpfungs- und Ordnungstheologie angeführt, die eine erschreckende Nähe zu den durch eine völkische Ideologie geleiteten theologischen Entgleisungen des Nationalsozialismus aufweist.
Gegenüber diesen theologischen Aussagen und den mit ihnen begründeten politischen Grundsatzentscheidungen müssen wir als Vikare und Vikarinnen festhalten an den von der EKD im August 1986 veröffentlichten Sätzen: “'Die Erde ist des Herrn und was darinnen ist, der Erdkreis und die darauf wohnen‘ (Psalm 24,1). Alle Menschen sind gleichermaßen Geschöpfe Gottes, und die Erde wurde ihnen gemeinsam anvertraut. Daraus ergibt sich die grundlegende Verpflichtung, die anvertraute Erde (...) gemeinsam zu verwalten und ihre Güter (...) mit allen zu teilen. (...) Viele hierzulande meinen, ihren Wohlstand gegenüber den Ausländern aus den Elendsregionen der Erde verteidigen zu müssen. Das entspricht jedoch nicht der biblischen Orientierung. Der Glaube an den Schöpfer und Vater im Himmel macht frei zur Aufnahme des Fremden und bereit zum Teilen. Weil Gott der Schöpfer der Welt und Vater aller Menschen ist, gehören alle Menschen zu der einen Menschheit: Menschsein ist Mitmensch-Sein“. (7)
Abweichung von christlichen Leitsätzen
Doch nicht nur weil Gott der Schöpfer aller Menschen ist verbieten sich völkischer Egoismus und Ausgrenzung oder Benachteiligung von Ausländern. Das Alte Testament erinnert uns: „Die Fremdlinge sollt ihr nicht unterdrücken; denn ihr wißt, wie den Fremdlingen ums Herz ist, weil ihr auch Fremdlinge im Land Ägypten gewesen seid.“ (2.Mose 23,9). Und „das Liebesgebot Jesu (...) richtet sich über alle Grenzen hinweg auf die Bedürftigen, die menschliche Zuwendung und Hilfe brauchen“. Christliche Gemeinde lebt „unter einer Perspektive, die diese Grenzen hinter sich läßt: 'Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus‘ (Galater 3,28). In der christlichen Gemeinde der Glaubenden ensteht eine Paxis, in der die Überwindung der Grenzen von Geschlecht und Rasse, Klasse und Volk eingeübt wird.“ (7)
Der von Republikanern angestrebte Umgang mit Ausländern läßt sich auch nicht mit dem Hinweis auf eine besondere, von den Leitsätzen der christlichen Gemeinde abweichende Funktion des Staates begründen. Denn es „ist Aufgabe des Staates, das Recht der Menschen und damit auch die gegebenen Grenzen zu schützen. Wenn Grenzen aber zu Instrumenten der Ausgrenzung, Abschottung und Entfremdung gemacht werden, ist die wichtige Funktion der Ordnung und des Schutzes, die sie haben, pervertiert.“ (7)
Deshalb betonen wir mit den Worten der Erklärung von Stuttgart vom Oktober 1988: „Die Aufnahme von Fremden ist ein Gebot Gottes. Indem die Kirche Partei ergreift für die Lebensrechte der Schwachen und sich gegen die Tendenz stellt auszugrenzen und abzuschieben, gewinnt in diesem Handeln die zukünftige Welt Gottes Gestalt.“
Ähnlich wie im Nationalsozialismus
2. „Deutschland aber lieben wir“ - wie sieht nun der von den Republikanern anvisierte deutsche Staat aus? Nach den Grundsätzen im Bundesparteiprogramm gehört zu der von ihnen geschaffenen „rechtstaatlichen Ordnung (...), daß Staatsräson und Gemeinwohl Vorrang vor Parteiräson und Gruppeninteressen haben“. „Rechte und Pflichten des einzelnen“ sind zwar gegenüber denen „von Familie, Volk und Staat“ ebenfalls zu achten, doch wird zugleich klargestellt, daß eine „staatspolitische Erziehung“ im Blick ist, „die den einzelnen in Freiheit dienen läßt, ihm auch Opfer und Dienstleistungen abfordert“ (2). Es fällt auf: Der einzelne ist als Dienender im Blick, das Staatsinteresse ist übergeordnet und bestimmend. Es gilt dann also sinngemäß der Grundsatz „Recht ist, was dem Volke nützt“, wie er früher von den Nationalsozialisten aufgestellt wurde.
Der Übermacht des Staates entspricht auch die Beschneidung der Rolle der Gewerkschaften, die „in parteipolitischer Neutralität ihre Tätigkeit auf das Wohl der Arbeitenden und das Gedeihen ihrer Arbeitsstätten beschränken“ (2) sollen. Das weitergehende gesellschaftliche, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Engagement, wie es gegenwärtig in den Satzungen der Gewerkschaften formuliert und durch das Grundgesetz gesichert ist, wird damit ausgeschlossen, die Gewerkschaften werden ähnlich wie in der Zeit des Nationalsozialismus zu politischen Statisten degradiert.
Doch auch die Medien werden durch den übermächtigen Staat in ihre Schranken gewiesen. Im Bundesparteiprogramm heißt es: „Falls die Selbstkontrolle der Medien (...) weiterhin versagt, werden wir für die Schaffung partei- und gruppenunabhängiger Kontrollorgane zum Schutze des von Einschüchterung und Verschmutzung der geistigen Umwelt bedrohten Freiraumes des Bürgers sorgen.“ (2) Oder mit den Worten von Schönhuber am 8.Februar 1989: „Wenn wir an der Macht sind'wird es Kennzeichen D nicht mehr geben.“ (8) Das ist klar als Ankündigung von Zensur der Medien zu verstehen.
Staat wird zu quasi-religiöser Größe
Der Einfluß des Staates geht jedoch noch weiter. Die Republikaner setzen sich ein „für ein Erziehungs-, Bildungs und Ausbildungswesen, das in deutscher, christlicher und abendländischer Kultur und Geschichte wurzelt“ (2). Doch was hier „christlich“ heißt, wird von der Partei und ihren Erziehungsvorstellungen festgelegt. Entsprechend heißt es dann nach der Entfaltung dieser Vorstellungen: Wir „werden (...) in diesem Sinne auf Erziehung und Bildung in der Familie, in den Medien, Kirchen unbd öffentlichen Einrichtungen einwirken“ (2). Hier ist gezielter Einfluß des Staates auf die Kirche im Blick und zugleich von staatlicher Seite eine inhaltliche Kompetenz für christliche Aussagen beansprucht - der Staat wird zu einer quasi religiösen Größe erhoben.
Insgesamt wird an diesen Punkten der umfassende Zugriff des Staates auf alle Bereiche des menschlichen Lebens deutlich, wobei selbst Kirchen nicht ausgenommen sind.
Demgegenüber halten wir als Vikare und Vikarinnen an den Sätzen fest, die zu Aufgabe und Grenze des Staates in der 5. These der Barmer Theologischen Erklärung formuliert sind: Der Staat hat „nach göttlicher Anordnung die Aufgabe (...), für Recht und Frieden zu sorgen. (...) Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung des Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen.“
Angesichts dieser und vieler weiterer Widersprüche zwischen republikanischen Positionen und christlichen Grundaussagen fragen wir:
Wie kann ein Parteimitglied der Republikaner zugleich seinen pfarramtlichen Dienst in rechter Weise versehen?
Wie lassen sich die Zugehörigkeit zu einer Partei, bei der Nationalismus und Staatsräson das Zentrum des Programms bilden, vereinen mit einem Amt in der Kirche, die sich allen Menschen gleichermaßen zuwendet?
Wir, 19 Vikare und Vikarinnen der Subregion Südost I, bitten den Oberkirchenrat, zu diesen Fragen Stellung zu nehmen.
Anmerkungen:
(1) Aus einem Flugblatt der Republikaner („Unsere zehn Leitthesen“)
(2) Aus dem Bundesparteiprogramm der Republikaner
(3) Aus einem Flugblatt der Republikaner („Wer sind wir, was wollen wir?“)
(4) Aus der Parteizeitung 'Der Republikaner‘ 1/89
(5) Aus der Parteizeitung 'Der Republikaner‘ 7/88
(6) Aus der Parteizeitung 'Der Republikaner‘ 3/89
(7) Aus EKD-Texte 16, „Flüchtlinge und Asylsuchende in unserem Land“, Hannover 1986
(8) Zitiert nach 'Frankfurter Rundschau‘ vom 22.5.1989, S.10
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